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Leben auf einem Katamaran

Erfahrungen nach 7 Monaten Bordleben

Da sitze ich heute in der Marina von Bas-du-Fort in Pointe à Pitre – ausnahmsweise alleine – und stelle fest, das es schon 10 Monaten her ist, seit wir Luxembourg verlassen haben. 7 Monate leben wir nun an Bord der Rivercafe. Erst in Europa, jetzt in der Karibik. As time goes by.

Die Rivercafe hat die ersten 10.000 nautischen Meilen hinter sich, fast eine halbe Weltumsegelung – und das noch vor dem ersten Geburtstag. Sie hat schon einiges an Wetter und See erlebt, aber sie sieht besser aus als am ersten Tag.

Ka ist zu einem Kurzbesuch nach Europa geflogen. Mit PCR Test, Antigen Test und der ersten Impfung – Reisen Zeiten der Pandemie. Die Sehnsucht nach den Kindern wurde dann doch zu groß, denn die geplanten Besuche bei uns sind ausgefallen. Ich bin in Guadeloupe geblieben, um unsere letzten umfangreicheren Arbeiten zu „betreuen“ und von den Handwerkern ein bisschen Nachhilfe zu bekommen.

Die C19 Regeln sind hier seit Ostern verschärft worden, weil die Zahlen leicht angestiegen sind. Seit dem Wochenende gibt ab 19.00 h eine Ausgangssperre. Damit müssen auch die Restos um 19.00 h schließen und das bedeutet, ich muss kochen. Immer. Aber halb so wild, die Geschäfte sind offen. Die Zahlen hier sind nicht mal bei einem Zehntel verglichen mit Deutschland, aber die Reaktionen sind konsequent.

Also eine gute Gelegenheit, unseren Einstieg ins Hippieleben zu rekapitulieren. Die guten und weniger guten Dinge.

Ruppiger Beginn

Holpriger hätte er wohl kaum sein können, der Start unserer Reise. Kein Werftbesuch, keine Übergabe, kein Training. Reichlich Improvisation und unzählige Kompromisse. Vieles fühlte sich gar nicht gut an und ganz und gar nicht, wie zwei Jahre lang geplant. Aber letztlich ging alles gut, irgendwie. Denn wir sind in einem Stück in der Karibik angekommen, zumindest physisch.

Es ist schwer zu glauben, aber wir sind noch nicht richtig im neuen Lifestyle angekommen. Beim letzten Trip waren wir im Segelflow als wir über den Atlantik sind. Wir hatten unseren Bordalltag. Diesmal waren wir 4 Jahre raus und sind so gut wir nicht gesegelt. Wir haben schon ein bisschen gefremdelt und hatten die Segelroutinen nicht mehr in Fleisch und Blut. Das war anfangs schon ziemlich frustig. Und dann noch die Pandemie on top.

Immerhin sind wir schon mal raus aus unserer Komfort-Zone und hoffentlich gleiten wir auch bald in den Caribbean Flow. Ab und zu haben wir schon solche Tage. Und das mit dem Segelgefühl wird auch immer besser.

Gute Entscheidungen.

Los zu segeln.

Ich schätze, wenn ich das Jahr im C19 Verließ in Luxembourg verbracht hätte, läge eine weiße Katze auf meinem Schoß und ich würde die Weltherrschaft planen. Gut das wir los sind.

Hoffen wir, dass es nur eine Off-Saison ist und nach der Hurricane Season vieles wieder leichter wird

Ohne Zeitplan zu segeln

Wie bei Euch sicher auch, reduziert sich die Halbwertzeit von Plänen auf „unplanbar lächerlich“. Irgendwann haben wir begriffen, dass wir keinen Zeitplan haben und das macht unser Leben stressfreier. Was ganz Neues für uns Zielfreaks – einfach mal kommen lassen. Fühlt sich schräg an, noch. Wir sind im Lernprozess.

Die French West Indies (FWI) sind toll, aber wir freuen uns auf mehr Internationalität. Mit Ausnahme von zwei (sehr sympathischen) deutschen Schiffen, haben wir gefühlt 100 % französische Mitsegler, fast alles Bretonen. Muss ziemlich leer sein, in der Bretagne. In diesem Jahr haben wir noch nicht ein englischsprachiges Schiff getroffen.

Das Schiff

Sehr gute Entscheidungen. Katamarane sind toll (ja, ich hab`s ausgesprochen). Soviel Komfort bringt kein Mono. Und der Segelspaß ist auch ok – man kann nicht alles haben. Und wir sind sehr happy mit unserer Wahl für die Leopard45. Das Design ist wie für uns gemacht und die Größe ist perfekt. Wir hatten keine Kaufreue und noch keinen Kat gesehen, der uns besser gefällt.

Wir fühlen uns an Bord immer wohler und kommen auch immer besser klar. Das Schiff segelt mittlerweile sogar dort hin, wohin wir wollen. Trotz der nervtötenden und völlig unnötigen technischen Anfangsprobleme, war die Entscheidung für Leopard eine gute.

Die vordere Lounge mit der Tür vom Salon ist sensationell. Morgens dort zu frühstücken, abends einen Sundowner oder nachts einen Film auf dem Vordeck – was für ein Lebensraum. Es gibt überhaupt kein Problem mit überkommendem Wasser bei starkem Seegang. Vor Anker einfach die Vordertür auf und alles ist frisch und luftig. Das ist einfach nur klasse.

Die Ausstattung der Rivercafe

Wie gut die Entscheidung, das Schiff ordentlich auszustatten: einen chicen Holztisch machen zu lassen, Teakboden zu verlegen, klasse Polster zu fertigen – einfach eine top Ausstattung zu wählen. Für das Extrabudget wird man mit einem tollen Ambiente belohnt. Ist ja auch unser Lebensraum.

Tauchen zu lernen

Kitesurfen oder Tauchen lernen? Das war unsere Wahl in der Vorbereitungszeit. Tauchen war goldrichtig. Macht riesig Spaß und verbrennt 600 Kcal pro Stunde :-). Wir können unser Schiff selbst abtauchen und den Rumpf reinigen. Das ganze Tauchgelumps an Bord zu haben, gibt uns mehr Freiheit. Und über Bord gefallenes Zeugs können wir wieder einsammeln. Hat mir schon zwei Tauchmasken und Schnorchel erspart. Schön da unten. Stephan, du hattest so Recht. 🙂

 

Schlechte Entscheidungen.

Es gab reichlich Zeugs, dass wir heute anders entschieden hätten. Aber die Gnade der Zeit, macht das Klugscheißern doch immer einfacher. Schlechte Entscheidungen haben wir vor allem bei der Technik getroffen. Der nächste Block ist deshalb eher was für Yachties.

Technische Fehlentscheidungen 

In Ermangelung einer technischen Beratung – die es bei Leopard nicht gibt – haben wir ein paar technische Dinge falsch entschieden. Obwohl wir mit einem nonstop Segeljahr auf dem Buckel nicht völlig unerfahren sind. Bei ca. 350 technischen Systemen an Bord, kann in solchen Fragen naturgemäß kein noch so guter Verkaufsmitarbeiter helfen – und wir hatten einen sehr guten. Da braucht man Tekkies auf dem aktuellen Ausbaustand. Wenn man bei der Konfiguration keinen Werft Tekkie fragen kann trifft man schnell Fehlentscheidungen, bei einem komplexen Ding wie einem Schiff.

Beispiele?

  • Die 110V Landstromlösung mit Inverter für US Marinas war völliger Unsinn und fliegt wieder raus. Wir lösen unser Landstromthema anders, mit extra Inverter und viel Solar.
  • Unsere Gasversorgung (Butan vs. Propan) ist nicht gut, beide Gasarten sollten funktionieren. Es gibt überall entweder nur Butan oder nur Propan. Auf den FWI gibt’s nur Butan und deshalb sind wir gerade „out of gaz“, weil wir auf Propan gesetzt haben. Wir brauchen eine Lösung für beide Gasarten, damit wir sorglos kochen können. Wir behelfen uns zur Zeit mit einer elektrischen Induktionsplatte.
  • Unsere Aircon ist noch keine Minute gelaufen. Fragliche Anschaffung.
  • Die Leopard Standard Winschen sind unterdimensioniert. Das ist mir beim Probesegeln schon aufgefallen, aber ich war so dumm, mich von Leopard belabern zu lassen. Ein teurer Fehler.
  • Unser Inverter ist unterdimensioniert, auch da keine Beratung von Leo. Und man hat wohl „vergessen“ uns zu informieren, dass manche Systeme nur mit Generator laufen. Bei der Beratung, hat Leopard ganz viel Luft nach oben.

Nach sechs Monaten wissen wir jetzt ziemlich genau was wir wollen und bringen die Rivercafe auf den richtigen Stand. Abteilung Lehrgeld.

Und sonst?

Besseres Wetter.

Wir hätten gerne wieder das normale karibische Wetter von 2016/2017. Ich habe mich ja schon im letzten Artikel über das hoffentlich unnormale Wetter ausgelassen.

Corona und neue Saison.

Ich hätte nicht gedacht, das innerhalb eines Jahres gar nichts besser werden würde. Wir sind bald durchgeimpft und dann wird’s hoffentlich leichter. Segler denken wohl positiv, denn allein die ARC hat drei Rally`s sind seit Dezember ausgebucht, das bedeutet dann wohl 300 zusätzliche Schiffe. Hauptsache die Wirtschaft kommt auf den Inseln wieder in Gang. Die ersten Inseln bereiten schon eine vereinfachte Einreise für Geimpfte vor.  

Hello – goodbye

Da ist es wieder, das Segler-Sozialleben. Das unterscheidet sich sehr vom Landleben. Man begegnet sich und genauso sicher kommt auch immer wieder der Abschied und jeder folgt seinen Plänen.

Manchmal trifft man sich eine Bucht oder Insel weiter, manchmal sieht man sich einige Jahre nicht. Es ist ein ständiges welcome und farewell. Und immer eine Mischung zwischen alten Freundschaften und neuen Begegnungen – die auch zu Freundschaften werden können. Dennoch ist der Kontakt oft enger, die Gespräche sind intensiv.

Auf dieser Reise haben wir schon wunderbare Freundschaften geschlossen und freuen uns darauf, die alten wieder zu treffen. Wir freuen uns aber auch immer wieder „wie Bolle“, wenn sich unsere Freunde aus unserem „alten Leben“ melden. Und hoffentlich klappt das bald mit einem Besuch bei uns – auf der dann perfekten Rivercafe :-). / Holger Binz

 

5 Kommentare zu „Leben auf einem Katamaran“

  1. Hallo Holger. Schön von Dir zu lesen. Ich wünsche Dir nur das allerbeste und natürlich, dass Karin bald wieder heil bei Dir ankommt 🍀. Ganz liebe Grüße aus Luxemburg 🥂🍾. Pas

  2. Moin, wie man im Norden sagt. Nachdem ich wieder mal mit Neugier deinen Bericht gelesen habe, fällt mir wieder die “Suche” nach einem guten Namen für die Region ein; wie wäre es jetzt mit Robinson.
    Es klingt sehr gut das ihr mittlerweile nicht nur die Rivercafe sondern auch den Alltag in den Griff bekommen habt. Wir sind schon gespannt wann es dann “endlich auf (Weiter-)Reise geht.
    Liebe Grüße
    Angelika und Jürgen / Teneriffa

  3. Hallo Holger,
    schön von Dir zu hören / und eigentlich überwiegend positive Nachrichten.
    Stelle mir das Leben auf dem Rivercafe ganz angenehm vor. Wir sind ja eher Wohnmobil-Liebhaber, kommen gerade von einer Tagestour an die Mosel zurück, wo nun alles voll in Blüte steht. Dort ist es auch 5 Grad wärmer als hier in der Eifel. Wir haben eine Wanderung Richtung Calmont gemacht. Irgendwo fehlte an einer Stelle eine Tafel, und schon haben wir einen riesigen Umweg gemacht. Aber trotzdem war es klasse. Kein Mensch unterwegs.
    Leider darf man zur Zeit nirgends übernachten im Womo.
    Aber lecker gekocht hat Ulli heute nachmittag nach der Wanderung dennoch. Schön, wenn man so alles an Board hat – fast wie auf dem Schiff.
    Mach et jut, Holger
    Bis bald mal
    Jürgen

  4. Hallo Holger, hallo Ka …

    obwohl wir uns ja nur kurz kennengelernt haben ( beim Seadoc) seid ihr beiden bei uns immer wieder Gesprächsthema… wir verfolgen euren Trip wirklich regelmäßig und sind gerne in Gedanken ebenfalls auf Tour.. wir beneiden euch um eure Freiheit.. gerade jetzt in Zeiten der „nächtlichen Ausgangssperre“.. irgendwie hört sich euer Leben im Moment viel freier an!
    Sobald hier die Türen wieder einen Spalt weit geöffnet sind, werden wir husch husch das Weite suchen… wir waren ganz erstaunt über euren Wetterbericht, der sich ja über einen längeren Zeitraum nicht gerade rosig anhörte.. aber, da seid ihr bestimmt auch zuversichtlich, es kann nur besser werden und ihr habt ja Zeit auf schönes Wetter zu warten….wir pendeln zwischen unseren zwei Domizilen (D und Mallorca) hin und her und sind somit schon in der privilegierten Situation, dass wir zumindest etwas etwas Abwechslung haben. Den meisten unserer Freunde fällt die Decke auf den Kopf und die Stimmung wird dadurch nicht besser..auch interessant zu lesen, dass selbst auf diesen kleinen isolierten Inseln mit solch rabiaten Massnahmen gearbeitet wird.. da wundert man sich schon..
    Trotzdem erstmal weiterhin eine gute Zeit .. wir freuen uns auf den nächsten Bericht.. Alles Gute Iris und Bernhard

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