20-30-40-54 Knoten Wind und reichlich Seegang

Dilemma der Törnplanung

Heute wollen wir Euch an einem Teil des Seglerlebens teilhaben lassen, der oft unterschlagen wird. Wir nehmen euch mit bei unserer Woche, die wegen des Wetters ständig umgeplant werden musste und letztlich tragisch endete. Dilemma der Törnplanung

Unsere ursprüngliche Idee war es, alle drei Buchten des Peloponnes komplett abzufahren und selten mehr als 20-30 nm bis zum nächsten Stopp zu segeln. Das hat sich erledigt. Der schöne Frühsommer macht Pause. Die Temperaturen sind frischer und es regnet viel Sandregen. Wir könnten täglich unser Schiff abwaschen.

Unser Hauptthema sind allerdings die angesagten 40-54 kn Wind (ca. 80-100 km) in dem Teil des Peloponnes, in der wir gerade unterwegs sind. Garniert mit heftigem Seegang von 2 m – das ist im Mittelmeer sehr viel und unangenehm, wegen der kurzen Welle. Dilemma der Törnplanung

Die Wetterberichte in dieser Region sind von ganz besonders miserabler Qualität, wir könnten auch Tarot Karten legen. Nirgendwo lagen die Modelle so weit auseinander und änderten sich so schnell. Die doppelte oder dreifache Windgeschwindigkeit von einem zum anderen Modell, ist eher die Regel als Ausnahme. Blöd für die Törn Planung. Aber diesmal sind sich alle Modelle einig: es wird dunkelrot bis schwarz auf den Windcharts. Freitag das volle Programm, wir haben 5 Tage Zeit, um uns in ruhigere Gewässer zu verlegen.

Zwei Wettermodell für den gleichen Ort zur Gleichen Zeit

Ein Schiff ist langsam, auch wenn es sich mit vollen Segeln anders anfühlt. Wir machen wir zwischen 50-70 nm im hellen, je nach Bedingungen und Dauer des Tageslichts. Deshalb muss eine nicht-masochistische Crew vorausplanen. Und so war unsere Woche:

Die Vorhersage für das Peloponnes mit Wind und Wellen, die drei Buchten im Süden

Samstag Dilemma der Törnplanung

Wir liegen in der Marina Kalamata – am nördlichen Ende der ersten Bucht des Peloponnes – und sehen im Wetterbericht sehr viel dunkelrot und schwarz, ab Freitag. Das bedeutet mit 45 kn+ viel Wind und je nach Ort hohe und kurze Welle. Im worst case haben wir 160 nm vor uns, um in sicherere Gewässer zu kommen. Das wäre – Stand heute – Navplion in der dritte Peloponnes Bucht. Navplion sieht in allen Modellen verschont aus. Kreta und Milos, werden auch was abbekommen, also ist auch ausweichen in die Ägais sinnlos. Die Alternative: noch eine ganze Woche in der (noch) geschützten Marina von Kalamata bleiben – oder Gas zu gehen, die Flucht nach vorne. Dann werden wir allerdings viele Orte verpassen oder nur kurz besuchen. Wir entscheiden uns den Liegeplatz freizugeben und morgen auszulaufen. Dilemma der Törnplanung

Sonntag

Die Wetteransage bleibt. Deshalb canceln wir beim Auslaufen in Kalamata unser ersten Ziel Limeni, 25 nm entfernt und sparen einen Tag. Sehr schade, soll schön sein. Wir legen Kurs auf das 50 nm entfernte Porto Kagio, im Eingang der zweiten Bucht des Peloponnes. Damit machen wir knapp ein Drittel der Maximalstrecke und es hält uns Optionen für Alternativen offen. Porto Kagio ist eine sehr schöne und geschützte Bucht, wenn auch kein Porto – wie der Name vermuten lässt – sondern eine malerische Ankerbucht, bei den aktuellen Bedingungen. Kagio stand sowieso auf unserer Liste, allerdings für ein paar Tage. In 4-5 Tagen wird aus der friedlichen Bucht vermutlich ein brodelnder Kochtopf. Dilemma der Törnplanung

Als wir gegen 16.00 h ankommen, liegen 4 Schiffe in der Bucht. 5 weitere kommen später hinzu. Wir liegen inzwischen gut und genießen die beeindruckenden Berge rund um die Bucht, mit reichlich Festungen und kleinen Dörfern. Zu Abend essen wir mäßig in einem auf Navily unberechtigt gelobten Restaurant, aber mit schönster Aussicht. Bei noch schwachen Winden drehen wir uns in der Nacht mehrfach um 360 Grad. Es bleibt eine ruhige Nacht, mit etwas Regen. Leider muss es bei einer Nacht bleiben und ein ausgedehnter Landbesuch muss ausfallen, eine Schande für diesen schönen Ort. Wir müssen weiter.

Montag

Wohin von Kagio? Plan A ist unser nächstes Fluchtziel Gythio, im Norden der zweiten Bucht des Peloponnes. Plan B bleibt Navplion, 110 nm entfernt in der dritten Bucht. Noch 4 Tage. Das Wetterupdate macht Plan A obsolet, denn nun ist auch der Norden der zweiten Bucht dunkelrot, 45 kn Wind und kräftige Welle, mit ungestörtem Fetch aus dem 230 nm entfernten Libyen. Das verspricht Rodeo.

Wir überspringen die zweite Bucht und steuern die 30 nm entfernte Insel Elafonisos an. Unser Anker fällt in der Traumbucht Fragko. Es wäre im Sommer paradiesisch, bei Sonnenschein. Perfekter Ankersand, weiche Strände, klares Wasser, völlig einsam und ein Naturschutzgebiet. 5 Schiffe ankern mit uns für die Nacht. Es schmerzt des Seglers Herz, diesen schönen Ort nicht bei gutem Wetter und nicht länger erleben zu dürfen. Es wäre locker gut für 3 Tage.

Als sich der Tag zum Ende neigt, sehen wir die gute Nachricht, dass sich der Schlechtwetter Peak auf Samstag verschoben hat. Freitag ist nur noch Vorspiel. Es genügt, wenn wir Donnerstagnachmittag an einem sicheren Ort ankommen. Wir haben jetzt drei Tage Zeit für 90 nm. Wir können nun sogar noch eine zweite Nacht an einem Ort einplanen. Aber es wird nicht Elafonisos, denn wir wollen flexibler bleiben.

Dienstag

Das Wetter hat sich wieder geändert, Freitag ist wieder der Peak-Tag mit bis zu 54 kn und Samstag mit 42 kn. Es scheint sich auf 30-40 Stunden Starkwind einzugrooven.

An diesem Morgen gibt es keinen Plan B. Wir entscheiden uns für Monemvasias, 30 nm entfernt. Ein besonderer Ort auf der westlichen Seite im Süden der dritten Bucht. Dort sind wir zumindest raus aus dem gröbsten Seegang aus WSW, denn wir sind „um die Ecke“. Hier sind nur noch 1.50 m Welle angekündigt. Macht schon einen Unterschied zu 2.00 m.

Gegen 13.00 h kommen wir an und haben uns schnell wieder umentschieden nicht zu ankern, sondern im Hafen von Gefira bei Monemvasias festzumachen. Eigentlich sind das nur ein paar Betonstege ohne Wasser und Strom, aber das brauchen wir sowieso nicht. Unglaublich allerdings, dass der Liegeplatz nichts kostet. Gratis. Der EU sei Dank, denn die hat diesen Hafen finanziert und weil er noch nicht fertig ist, darf nichts kassiert werden. Es würde mich wundern, wenn er jemals fertig wird. Andere Segler schauen auch nach dem Wetter und so ist der Hafen ziemlich voll.

Mittwoch

Wir liegen längsseits im Hafen, geschützt vor der offenen See. Nach unserem Plan wollen wir am Donnerstag weitere 30 nm nördlich in die Bucht von Leonidi zum Ankern. 8 Wettermodelle liegen jetzt zwischen 35 und 54 kn Wind – wahlweise aus unterschiedlichen Richtungen. Kalamata, das am Sonntag noch verschont blieb, ist jetzt voll im Windfeld. Zumindest eine erste gute Entscheidung, nicht dort geblieben zu sein.

Leonidi bleibt nach der Vorhersage vom starken Wind verschont, aber dafür die der Cape Wert (Gewitter und Blitz Aktivität) sehr hoch.

Wir nutzen den Tag, um die Altstadt von Monemvasias zu besuchen. Der enorme Fels auf einer Insel, hat für den Beinamen „klein Gibraltar“ gesorgt. Die untere Altstadt am Fuße des Berges, ist eine echte Perle und erinnert mich an die Altstadt von Kotor (Montenegro). Man kann sie nur zu Fuß besuchen und wir wandern gleich ganz auf den Berg. Wenn man gutes Schuhwerk hat – es ist sehr rutschig – , kann man den Berg besteigen und die Obere Stadt besuchen, eine Ruinenstadt mit der Kirche Hagia Sophia und einem unvergleichlichen Ausblick über den Rest der Welt.

Der nächste Wetterbericht bestätigt Freitag als Peak Tag. Samstag soll deutlich ruhiger werden und auch die Windansagen für Freitag sind mit zwei Ausnahmen schon moderater. Dafür ist nun auch Naplion – unser ursprüngliches Ziel – im Windgeschehen. Die Lage entspannt sich weiter und nur noch zwei von 8 Wetter Modellen liegen über 50 kn (ICON7 und ICON13). Dilemma der Törnplanung

Wir sprechen mit ein paar Locals aus dem Dorf Monemvasias und die sind der Meinung der Hafen sei ein sicherer Ort und alles sei easy. Sowieso.

Donnerstag

Planänderung: wir bleiben im Hafen von Gefira. Samstag ist nur noch ein Tag, um den Staub vom Schiff zu blasen. Unsere Segelfreunde Camilla und Tom entscheiden sich nach Norden zu gehen und laufen aus. Scheinbar ist es sowieso egal was wir planen, denn es gibt für jede Möglichkeit ein Wettermodell mit pro und contra. Und auch die ändern sich alle 6 Stunden. Wären wir in Kalamata geblieben, hätten wir eine Woche verloren, 770 € Liegegebühr bezahlt und wären doch im Wind geendet. Wären wir nach Navplion, hätte uns – stand jetzt – der Wind erwischt. Wir glauben den Einschätzungen der Locals, die immer noch sehr entspannt sind. Es ist noch wenig Wind, aber es ist spooky mit Sandwolken bewölkt, der Himmel hängt tief und ist ockerfarben. Das Wolkenbild kündigt „Wetter“ an, Scirocco.

Freitag

In der Nacht kommen die ersten Böen und wir schaukeln am Liegeplatz. Die Festmacher und Fender knarzen, wir haben 10 an der Steuerbordseite zum Dock hängen.

Oben links: Donnerstag, der Rest Freitag Nachmittag

Der Wind dreht ständig, kommt vormittags aber mit maximal 20 kn, es sollte deutlich mehr sein. Dafür hat der Schwell stark zugelegt und liegt schon am Mittag über der Maximalansage. Das ist schlimmer als Wind. Im Hafenbecken ist es kabbelig und unsere Festmacher verdienen sich ihre Existenz.

Mateo – sowas wie der Hafenmeister – verspricht uns zum Nachmittag, wenn der Wind dreht, ruhiges Wasser im Hafenbecken – „wie in einem Pool“. Nichts könnte falscher sein. Später ärgere ich mich, dass ich ihm Glauben schenke.

Freitagnacht

Am frühen Abend gehen wir einen Happen essen, ein schwerer Fehler. Die Welle hat im Hafen mittlerweile 3 m erreicht. Den Wellenschutz hat offensichtlich ein Clown geplant, denn die Brecher stürzten ungebremst in den Hafen. Unser Nachbar Andrea kommt uns ins Restaurant holen. Die Rivercafe reitet Rodeo am Steg.

Rail Away

Erst werden 3 Fender zerstört, dann brechen unsere Reling Stützen. Wir müssen im Dunkeln Stützleinen spannen, um die Rivercafe weg vom Dock zu bekommen. Das geht aber auch erst jetzt, weil Andrea neben uns, sein Schiff verlegt hat. In dunkler Nacht, im brodelnden Wasser und mit stampfender Rivercafe bringen wir zwei 30 m lange Leinen aus und befestigen die Fender neu. Zumindest halten wir die Rivercafe so ein Stück weg vom Dock. An Nachtschlaf ist nicht zu denken. Um 3.00 h morgens rollen immer noch Brecher rein, die ein Wartehäuschen an Land komplett überschwemmen. Es ist ein Albtraum. Es lärmt und stampft bis zum Morgen. Dann, erst im Laufe des Vormittags, endet der Spuk.

Mateo hat offensichtlich ein schlechtes Gewissen, denn er organsiert sofort einen Metallbauer, der sich unserer Reling annimmt. Es wird eine Woche dauern, bis wir den Schaden repariert haben. So lange müssen wir in diesem Hafen bleiben. Und so wurde der kostenlose Hafen für uns dann doch zu einem besonders teuren.

Karins Aufarbeitung

Letztlich hatten wir nur halb so viel Wind wie angesagt, aber dafür mehr als doppelt so viel Seegang. Der Wetterbericht hilfreich, wenn die Aussagen: es kann mehr oder weniger windig werden, Seegang gibt’s auch irgendwo zwischen 0 und 5 Meter Wellenhöhe und das Ganze dann auch irgendwo. Kann aber auch anders werden. Ich denke wir bestellen die teuren Wetterdienste ab und legen uns einen Kanarienvogel zu. / Holger Binz

 

P.S. zu den letzten drei Zielen kommt mehr beim nächsten Bericht.

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