Delfine auf dem Atlantik

Was bisher geschah, Teil 1

Rosa Elefanten auf dem Atlantik

Wir wollen unbedingt wieder los segeln und das hat natürlich einen Grund: Wir wissen, wie es sich anfühlt, durch die Welt zu segeln. Einmal probiert und für immer versaut. Aber man muss auch reinwachsen, denn es ist nicht immer schön.

Ohne episch zu werden, erzähle ich die Geschichte unserer Überfahrt von Valencia bis zum Ankerwerfen in der Carlisle Bay in Barbados. 2015 brauchten wir dringend eine Pause, vom Job und der Welt. Die tapfere Karin sprach von der Atlantiküberquerung und sie brauchte drei Sekunden, um mich zu überzeugen. Wir tauschten unsere 40er gegen einen 50er-Monohull und meldeten uns für die Barbados 50 Atlantic Rallye von Jimmy Cornell an. im August 2016 verließen wir unseren Heimathafen Valencia Richtung Kanarische Inseln, um die Rallye auf Lanzarote zu starten. Auf einem Barhocker in einer Bar in Gibraltar wurde uns langsam klar, dass der Atlantik verdammt groß war. Er ist noch viel größer, wenn man nur zu zweit an Bord ist.

Der Atlantik begrüßte uns nicht freundlich. Die Strecke von Gibraltar nach Lanzarote entlang der endlosen Küste Marokkos war heftig, „character building“ nennen das unsere britischen Freunde. Fette Welle nicht unter 3 Metern, starker Wind und keine Minute Ruhe, 24 Stunden am Tag. Nicht lustig und sicher kein Spaß. Aber nachdem wir geschlafen, gegessen und mit anderen Seglern auf Lanzarote gesprochen hatten, wollten wir weitermachen. Ich erinnere mich noch gut, wie ich die Katamaran-Segler gefragt habe, warum sie um Himmels willen kein „richtiges“ Segelschiff segeln. Das kluge und verzeihende Lächeln von Garry – er segelte mit einem Katamaran von Australien nach Lanzarote – kann ich heute verstehen. Ich war noch jung und dumm, geblendet von der Schönheit eines Monohulls.

Bei der Barbados Rallye trafen wir auf den 35 Schiffen viele fantastische Leute. Es gab viele gute und inspirierende Gespräche und wir lernten viel neues. Es war unser Einstieg in die Gemeinschaft der Langstreckensegler oder Blauwassersegler – einem wirklich besonderen Haufen. Auf Lanzarote verbesserten wir unserer neues Schiff, dass von der Werft angeblich gut ausgerüstet war. Nicht gut genug, erst recht nicht für die Hochsee. Nach sechs Kanarischen Inseln, einem neuen Autopiloten und neuem AIS später, ging es zu den Kapverden. Verglichen mit der Strecke entlang Marokko waren diese 6 Tage ziemlich ereignislos. Nach zwei Wochen Kapverden wurde es aufregend: Losmachen in Mindelo und rüber über den Atlantik. Gut dass ich da noch nicht wusste, was unser erwartete.

Das Crossing hatte es in sich. Nichts war`s mit einer langen, romantischen atlantischen Welle und entspanntem segeln. Zwei Wochen im Hang leben, querlaufende Wellen, Stöße ohne Ende und eine Katastrophe nach der anderen – das war unser Crossing. Ab dem zweiten Tag fiel der (neue) Autopilot regelmäßig aus (Werft: ist noch nie passiert). Einen AHDS-Patient bei 3-5 m Welle zu reparieren macht nicht wirklich viel Spaß. Bei einer zweier Crew immer einen am Ruder zu haben, ist sehr anstrengend. Aber was in der 6. Nacht passiert, war noch unerfreulicher.

Wegen der zahlreichen Squalls fiel die Freiwache nachts oft sehr kurz aus. In der sechsten Nacht war es wieder so weit und völlig verpennt stecke ich meine Hand in eine elektrische Winsch und verwandle das Cockpit in eine Blutlache. Wie ich später erfuhr: ein Finger mit gerissenen Bändern, eine einfache Fraktur, eine offene Fraktur und alle Finger sind um 180 Grad gedreht. Aber alle Finger sind noch dran.

Einrenken, schienen und literweise Desinfektionsmittel, um eine Blutvergiftung zu verhindern. Was James Bond in Casino Royal kann, kann ich doch auch. Der nächste Arzt befand sich wahrscheinlich auf der ISS, ansonsten 2.000 km horizontal entfernt. Von da an  ging kein Spinnaker mehr hoch und unser Speed wurde deutlich langsamer. Aber es wurde noch unangenehmer. 600 km (ca. 1.100) km von Barbados riss unsere – auf Lanzarote kontrollierte – Steuerung. Das Schiff konnte nicht gesteuert werden. (Werft: ist noch nie passiert). Ein 16-Tonnen-Schiff mit einer Notpinne zu steuern, fühlt sich an, als würde man einen LKW in eine Parklücke schieben. Wir schaffen physisch und psychisch nur noch 1,5 Stunden Wachen. Ka sah aus wie missbraucht und ich wie mein Großvater, und versuchte mit einer Hand klarzukommen.

Wegen der hohen Wellen musste man ständig an der Notpinne stehen, sonst drehten wir uns sofort nach Surinam. Wir aßen kaum und ich sah rosa Elefanten auf dem Kompass. Totale Erschöpfung und keine Ahnung, wie wir in der rauen See überleben sollen.

Erinnert ihr euch an meinen Kommentar zur Gemeinschaft der Segler? Durch Satmail erhielten wir Ermutigung von einem australischen Schiff vor uns (wir warten), einem deutschen Schiff hinter uns (wir kommen) und schließlich segelte ein britischer Freund zu uns. Beim Rendezvous sprang der tapfere Ty in der Dämmerung in den rollenden Atlantik und kam an Bord. Wir konnten 5 Stunden schlafen und die Elefanten waren weg. Ist das nicht beeindruckend? Wir kannten Ty seit drei Wochen und er zögert nicht, in den Atlantik zu springen und sein Leben zu riskieren, um uns zu helfen. Bittet mal einen Verwandten um Hilfe wenn brennt. Wir drei segelten die letzten 2,5 Tage nach Barbados, sangen Bob Marley bei der Ansteuerung und freuten uns auf das erste kalte Bier.

Nach 10 Tagen wurde unser Schiff repariert, viel besser als von der Werft geliefert. Aber nach der harten Zeit hatten wir eine Nase voll vom segeln. Hatten wir einfach Pech und haben bei unserer Überfahrt ein hartes Wetterfenster abbekommen? Waren wir nicht gut genug oder nicht gut vorbereitet? War unser Schiff zu schlecht? Ein paar Wochen später traf ich einen Segler der ARC. Er fragte schinant: sag mal, was ist ein Squall? So gehts scheinbar auch, über den Atlantik ohne einen Squall. Das Ergebnis unserer Rallye: Ein Brite musste sich einer Therapie gegen klinische Depression unterziehen, andere trauten sich nicht weiter, andere hörten auf zu segeln.

Narben haben viele mitbekommen. Aber Narben sind sexy und Captain Sparrow hat sicher mehr Fans als der Beamte in der Verkehrsabteilung. Die Zeit vor Anker in der Carlisle Bay auf Barbados war die beste Therapie. Es gab jeden Tag eine Willkommens- oder Fairwell-Party am Strand, wenn Segler der Rallye ankamen oder weiter segelten. Damals war uns das nicht bewusst, aber wir wuchsen um Meter und der schönste Teil unserer Reise begann. Aber das ist eine andere Geschichte. / HB

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