Von Budgets, Ansprüchen und der Realität
Es ist eine der häufigsten Segel-Suchanfragen: was kostet eine Weltumsegelung? Bevor wir zu unserem Jahr aufgebrochen sind, habe ich mich natürlich auch damit beschäftigt und einen Budgetplan erstellt. Und was wärmt das die Seele, wenn sich Theorie und Praxis ziemlich auf dem Punkt treffen, wie das bei uns der Fall war. Aber bevor ich hier die Quintessenz verfasst habe, wollte ich natürlich auch die Meinung unserer weltumsegelnden Freunde einholen und hier ist das Ergebnis aus der Praxis.
Wie an Land auch, ist das eine Frage des Anspruchs. Die Fragen sind, welches Schiff man durch die Wellen pflügt, welchen Lebensstil die Crew pflegt und was man an Eigenleistungen erbringen kann. Darauf kann man dann einen ehrlichen Budgetplan aufbauen, damit man eine Entscheidungsgrundlage für eine Segelreise hat.
Wir trafen auf unserer Reise völlig unterschiedliche Typen. Leute, die zu zweit mit 900 USD monatlich klarkamen und ihre Freiheit genossen. Andere hatten keine Budgetgrenze, was das Leben natürlich wesentlich einfacher macht.
Die formidable „Yachtingworld.com“ liefert eine Seglermeinung. Dort gibt es eine Umfrage, welche laufenden Kosten die Leser für eine Segelreise monatlich veranschlagen. 76 % sind der Meinung, dass man mit max. 2.500 GBP (2.810 €) pro Monat um die Welt kommt. Das liegt deutlich über dem globalen Durchschnittseinkommen. Ich habe keine Ahnung mit was die Segelkumpels segeln, aber ich finde das sehr optimistisch.
Dazu im Kontrast ist in Yacht Ratgebern die weit verbreitete Meinung, dass man 10 % des Schiffswerts pro Jahr für die laufenden Kosten kalkulieren soll. Unter der Voraussetzung, dass man kein Personal an Bord hat, zwei Hände, eine Werkzeugkiste und sich nicht mit Champagner die Zähne putzt, halte ich das wiederum nach der Erfahrung mit drei Schiffen für übertrieben.
Ich bin die Sache strukturiert angegangen habe habe die Kosten in vier Gruppen gegliedert:
- Schiff Fixkosten: unvermeidlich – Versicherung, Maintenance
- Schiff variable Kosten: steuerbar – Verbrauchskosten, Marinas, Mooringfees, Ausstattung
- Crew Fixkosten: kontrollierbar – Versicherungen, evtl. laufende Kosten
- Crew variable Kosten: skalierbar – Proviant, Ausflüge, Mietwagen, Restos/Kneipen, Vergnügungen
- Schiffskosten Fix
Das sind die tatsächlich unvermeidlichen Ausgaben, egal ob man alleine oder mit großer Crew segelt. Die Versicherungskosten werden vom Schiffswert berechnet, 1-2 % des Schiffswertes muss man für eine Versicherung mit Kasko und Haftpflicht im Jahr rechnen. Im Mittelmeer weniger, im Pazifik mehr. Gar nicht mal wenige Segler segeln ohne Kaskoversicherung, aber in Zeiten des Klimawandels ist das ein Glücksspiel. Auf eine Haftpflichtversicherung – die gibt’s schon ab 200 € p. a. – kann man nicht verzichten, sonst bleiben die meisten Marinas verschlossen.
Die Kasko ist es, die richtig ins Budget haut, aber sehr sinnvoll ist. Es macht schon einen stattlichen Unterschied in der Bordkasse, ob ich 150 €/Monat für ein 200.000 € Schiff bezahle oder 1.500 €/Monat für eine 2 Mio. Yacht. Deshalb sollte man sehr sorgfältig das Schiff abwägen. Größer ist natürlich schöner, aber nicht nur die Anschaffung, sondern vor allem die Folgekosten haben einen großen Hebel und beachtlichen Einfluss auf das laufende Budget. Die Preisdifferenz zwischen einem neuen 45 und 50 Fuß Katamaran ist ca. 400.000-500.000 €. Die Folgekosten sind auf eine Nutzungsdauer von 10 Jahren aber nochmals ca. die Hälfte dieses Betrages.
Ich rechne für unsere Versicherung Kasko und Haftpflicht 1,2 % des Schiffswerts für die Karibik pro Jahr. Die laufenden Kosten für das Flaggenzertifikat und Funklizenz sind bei uns in Luxembourg nicht besonders teuer und ich zähle das nur zur Vollständigkeit zu den Fixkosten.
Maintenance rechne ich mit 1-2 % des Schiffswertes im Jahr – bei einem neuen Schiff. In den ersten zwei Jahren sogar weniger. Man braucht nun mal ein Antifouling, Reinigungsmittel, Schmierstoffe, Öl – egal wie neu ein Schiff ist.
Bei gebrauchten Schiffen sieht die Rechnung prozentual anders aus, ein Motor- oder Segelwechsel kann deutlich teurer werden. Hier ist eine 5-10 % Regel keine schlechte Planungsgrundlage. Falls man sein Schiff finanziert hat, gehören die laufenden Kosten für Zinsen und Tilgung auch in diesen Punkt.
Einige Kosten hängen stark davon ab, wieviel Eigenleistung man erbringt. Der neue Unterwasseranstrich alle zwei Jahre ist keine Atomphysik. Das ist wie den Keller streichen, kann man auch selbst erledigen, dann muss man nur das Auskranen und das Material bezahlen. Viel hängt von der Ausstattung und der Qualität des Schiffes ab. Als Liveaboard hat man üblicherweise eine Workingslist und erledigt gleich die Kleinigkeiten, bevor es Großigkeiten werden. Gute Pflege erhält die Freundschaft. Viele Ersatzteile sind unterwegs deutlich teurer, z. B. durch Zoll- und Transportkosten oder höhere Handelsspannen. Daher helfen reichlich Ersatzteile an Bord die gute Laune zu erhalten. Chandler wie z. B. die Bremer SVB.de liefern zuverlässig in die ganze Welt. Auch mal ein Dinghi zum halben Preis (inkl. Lieferung) des Chandlers in St. Martin, wie ich erfahren durfte. Es ist empfehlenswert, sich seinen Lieblings-Online Yachtausstatter vor der Reise auszusuchen, just in case.
Kommunikationskosten auf See zähle ich auch zu den Fixkosten. Für die langen Offshore Passagen sollte man unbedingt eine Satelliten Verbindung haben um die Wetterdaten zu laden und im Notfall jemanden telefonisch zu erreichen. Alternative: SSB Pactor, das verursacht keine laufenden Kosten. Wir benutzen für unsere Wetterplanung das Iridium Netz mit dem Iridium Go (805 € Hardware). Das Tarifpaket für ein Atlantik Crossing kostet 825 € und dafür bekommt man 1.000 Minuten mit einer sehr langsamen Verbindung. Allein für die Wetterdaten sind das unverzichtbare Ausgaben. Im Budget fallen diese Kosten nur für die Perioden mit langen Offshore Passagen an. Wir brauchen das im ersten Jahr und dann erst wieder, wenn wir in den Pazifik gehen.
Fazit: Bei den fixen Schiffskosten rechne ich bei uns in den ersten zwei Jahren mit 2 % des Schiffswertes p. a., anschließend 4 % pro Jahr.
- Schiffskosten variabel
Diese Kosten hängen von der Schiffsausstattung und der bevorzugen Art des Reisens ab. Hat man einen Watermaker, spart man die zum Teil beachtlichen Kosten für Wasser in den Tropen. Ein gutes Energiemanagement spart Landstrom und Marinas. Die Entscheidung wieviel Zeit man in Marinas verbringt, beeinflusst einen großen Kostenblock. Ankern ist gratis, eine Mooring z. B. in den Nature Reserves der US Virgin Islands kostet ca. 30 USD pro Nacht. Marinas liegen zwischen 50 USD und 200 USD für einen 50ft Mono pro Nacht. Das macht schnell einen Unterschied von +- 3000 USD pro Monat. Ich kenne aber nur wenige Segler, die Marinas intensiv nutzen. Wir haben einiges in Equipment für unseren Kat investiert, um möglichst unabhängig von Marinas zu sein.
Liegeplatzkosten sind also eine große Dispositionsmasse. Wer sein Schiff während einer Hurricane Season auf dem Trockenen lagert, darf natürlich auch diese Kosten nicht ignorieren.
Wir haben für Liegegebühren in der Karibik 500 € p. M. budgetiert.
Sehr variabel sind auch die Verbrauchskosten durch Diesel. Motoren kostet natürlich mehr als segeln. Wir haben in einem Jahr für nur 500 USD getankt. In unserem Budget haben wir 100 € pro Monat für Diesel und Benzin (Außenborder) in der Ausgabenliste.
Fazit: Für unsere variablen Schiffskosten wir haben 600 € im Monatsbudget.
- Crew Fixkosten
Krankenversicherungen, laufende Kosten an Land und andere finanzielle Verpflichtungen, die trotz der Reise anfallen. Das muss jeder für sich selbst ermitteln. Es ist hilfreich, wenn man die Ausgaben des letzten Jahres detailliert durchgeht und prüft, ob man sie wirklich braucht. Ein Auto, der Telefonanschluss, ein Zeitungsabo oder eine Mitgliedschaft im Sportverein sind nicht wirklich sinnvoll, wenn man auf Reisen ist. Bei uns sind die Krankenversicherungen der größte Kostenblock bei den Crew Fixkosten.
Fazit: prüfen und anpassen
- Crew variabel
Das ist die Magic Box und kann einfach nach den Ansprüchen und Mitteln der Crew skaliert werden.
Das Wichtigste ist der Proviant. Witziger Weise meinen viele europäische Segler, dass „drüben“ alles billiger sein muss. Non, non, non – nicht die Bohne. 12 Eier kosten in den BVI 8,50 USD, eine Dose Bier in Polynesien 7-8 € im Supermarché. Ich sah schon Nutella für 10 USD – nicht das man das überhaupt essen sollte. Die Preise schwanken stark von Ort zu Ort, aber wegen der niedrigeren Lebenshaltungskosten sollte niemand segeln gehen. Zumindest nicht in der Karibik und Polynesien. In Asien sieht das teilweise anderes aus. Cool ist natürlich für Fischliebhaber die Möglichkeit sein Abendessen selbst zu fangen, aber dazu braucht man natürlich ein gutes Equipment – das ist also eher budgetneutral.
Wenn man 50 % zu seinem normalen Budget an Land aufschlägt, ist am beim Proviant auf der sicheren Seite und muss nicht darben.
Nebenkosten und Fun. Was man für Restos und Kneipen ausgibt, liegt am Portemonnaie des Reisenden. Bei uns war das sehr ortsabhängig. Es gibt Inseln, da kocht man besser selbst – weil es besser schmeckt. Andere Orte bieten Köstliches, dass unbedingt probiert werden sollte. Aber dass der Painkiller von Foxys (Jost van Dyke, BVI) in keinem Fall einem Budgetlimit geopfert werden sollte, ist Segler Basis Wissen. Es verwundert natürlich nicht das man mehr Budget verbrät, wenn man viel unternimmt. Hier mal einen Kaffee, dort mal ein Bier – auch das läppert sich wie im normalen Leben.
Seglerpartys sind meist „potluck“ Dinner, d. h. jeder bringt seinen Anteil an Speisen und Getränken mit. Wenn man Segler an Bord besucht, trinkt man rücksichtsvoll in der Regel nicht mehr, als man mitgebracht hat. Auch die anderen Segler müssen sich verproviantieren und das ist immer aufwändiger als an Land.
Wir reisen auch um zu entdecken. Deshalb mieten uns fast immer etwas Fahrbares in den besuchten Orten, auch wenn wir Klappfahrräder an Bord haben für kürzere Strecken. Dann kommen auch noch lokale Kosten wie car rental, Eintrittsgelder, Guides oder sonstige Überraschungen hinzu. Diese Ausgaben schwanken stark, sind aber kluger Weise Teil eines monatlichen Budgets. Wir haben 300 € pro Monat geplant.
Nicht vergessen sollte man auch die „Immigration fees“, denn die Einreise in ein Land ist mit unterschiedlichen Gebühren verbunden. Die schwanken enorm von 0 USD bis 200 USD für eine zweier Crew, manche Orte verlangen sogar noch höhere Kosten. Wer auf knappem Budget reist, sollte sich deshalb vor der Einreise in ein Land nach den Gebühren erkundigen. Der Besuch der brasilianischen Insel Fernando de Noronha kostet für 5 Tage, ein Schiff und vier Segler über 1.000 USD. Nicht schlecht wenn man bedenkt, dass man sein Bett selbst mitbringt. Nicht mehr im Kleingeld Bereich liegen auch manche VISA Kosten, z. B. für die USA (auch US Virgin Islands unbedingt notwendig).
Wer regelmäßig die alte Heimat besuchen will, ist klug beraten ein passendes Reisebudget für Flüge einzuplanen. Das sollte anwachsen, je weiter man nach Westen kommt – die Flüge werden länger und teuerer.
Und auch hier gibt’s wieder Kommunikationskosten für das Leben in Landnähe. Mit Skype und Facetime ist das überwiegend die Internetnutzung. Richtig telefoniert haben wir so gut wie nie. An Land kann man entweder das lokale Angebot von Bars oder öffentlichen Orten nutzen. Oder man kauft sich eine SIM Karte der lokalen Telefongesellschaft und nutzt die Telefon/Datenkarte als persönlichen Hotspot. Falls man Besitzer eines „gejailbreakten“ Handys ist, hat man die beste Lösung gefunden.
Wir haben 100 € pro Monat für Kommunikation im Budget.
Nicht ganz zu den Banalkosten können auch die Wechsel-, Bargeldabhebungen und Kreditkartenkosten werden, wenn man nicht die richtigen Finanzlösungen hat. Kreditkarten nehmen gerne 1,5 % an Fremdwährungsgebühren oder auch mal 5 % für eine Bargeldabhebung. Das betrifft uns aber nicht, denn wir haben die perfekte Finanzlösung mit dem Weltkonto.
Die variablen Kosten sind für viele Neueinsteiger überraschend hoch, wenn man am sozialen Leben der Segler und der besuchten Orte teilnehmen will. Hilfreich ist oft eine Änderung des Konsumverhaltens. Man kauft einfach die Dinge, die ein Ort bietet und kocht flexibel nach dem, was es lokal gibt. Dann gibt’s halt statt grünem Salat einen mit Papayas oder gegrilltem Tuna. Das ist sowieso der Kick beim Reisen.
Fazit: der Lebensstil entscheidet über diesen Kostenblock. Der passt sich auf Dauer dem Budgetrahmen an.
Um also die Frage zu beantworten was eine Weltumsegelung kostet, muss man seine Bedürfnisse definieren. Es ist logisch, das man mit einem gebrauchten 35 ft Mono billiger klar kommt, als mit einem 80 ft Sunreef Katamaran.
Bei der Budgetplanung sollte man sehr realistisch sein und keine Kosten „vergessen“. Finanzlöcher sind ebenso übel, wie Lecks im Rumpf. Es ist sehr bitter unterwegs festzustellen, dass man sich verrechnet hat. Vor allem dann, wenn man sich an den Lebensstil eines Liveaboards gewöhnt hat. /HB