Reine Nervensache
Abfahrt der Rivercafe in Ascension war der 20.8. So – dachten wir – jetzt ist der schwierigste Teil der Strecke geschafft. Gary – der Captain unserer Crew versicherte, das Boot sei perfekt in Form. Lediglich der Wassermacher läuft nicht, falsch verkabelt von der Werft. Blöd aber handlebar. Kitty Hafenmanagerin und „best Girl off Ascension“, hielt uns auf dem Laufenden, denn Kontakt ist auf einem klitzekleinen Inselchen mitten im Atlantik eine echte Herausforderung. „Seriously nothing on this rock“ (Gary). Kitty schrieb also: die Jungs seien jetzt ausgelaufen, alle gesund und alles wäre OK. Lost and found in Mindelo
Ja gesund! Denn hier auf der Insel will man nicht einen einzigen Corona-Fall sehen. Also musste die Crew einen Test machen, obwohl sie bereits 15 Tage auf See waren. Alleine natürlich.
Blindflug
Alles OK? Gary’s Iridium Go ging immer noch nicht und damit war klar: kein Wetter für ihn und keine Positionsmeldung für uns. Die Wettervorhersagen auf See taugen in der Regel für 3 Tage. Nicht aber für 20. Und wir würden also keine Tagesposition bekommen. Auch kein Drama, sagte Holger, setzte sich jeden Morgen um 8:30 an den Laptop und berechnete (denn er hatte ja das aktuelle Wetter und die jeweiligen Windstärken), wo die Jungs denn gerade so sein sollten. Wir hatten von Gary 3 Wegepunkte bekommen und so war uns die Route einigermaßen bekannt. Mindelo lag nicht auf dieser Route.
Die Tage vergingen. Holger berechnete, wir hielten das Wetter im Auge und ließen es uns hier gut gehen. Fuhren zum Teide, schauten uns die Nord, Ost und Südküsten an und erwanderten die Insel. Wir kauften Fahrräder, machten den Tauchschein, kauften Angeln und schauten aufs Meer.
Queen off sorrow
20 Tage keine Nachricht ist eine lange Zeit. Also fing ich an Holger zu löchern. „Meinst du die kommen so nah an den Kap Verden vorbei, dass wir ein AIS Signal bekommen? Wie genau werden wir informiert, wenn die epirb anschlägt? Wie viele Schiffe werden eigentlich auf diese Weise entführt, gestohlen oder gelten als verschollen?“ Es gab natürlich nicht den geringsten Anlass für all diese wahnwitzigen Ideen. Die Crew ist äusserst solide und es hat keine 30 Minuten gedauert, bis die Versicherung die Crew abgesegnet hatte, aber so ist das nun mal. Ganz einfach, meine blühende Phantasie machte ein paar Purzelbäume und üblicherweise komme ich nach der Queen of sorrow-Phase in Aktionismus. Ich recherchierte: Verloren gegangene Yachten, wer genau sind eigentlich Gary, Simon, Franco und Brandon, die da gerade auf unserem Schiff sind und wie ist das genaue Protokoll bei einer Seenotrettung. Meine wildeste Vorstellung war die, dass die Crew schon bei einem Margarita am Strand von Venezuela liegt und das Schiff meistbietend verkauft hat. Und gerade als ich so dachte: So jetzt mache ich einen Plan B: Woher bekommen wir ein neues Schiff, falls wirklich etwas passiert ist, wo können wir bleiben … als Tilman eine Message schrieb. „Toll Leute, klasse die Rivercafe ist in Mindelo“
Ankunft
Ich legte alle meine Plan B Versionen in meiner Kopfschachtel „Nur im Notall öffnen“ ab und konnte Lutz Meyer-Scheel in Mindelo erreichen, den Chef der Marina. Den kannten wir noch von der letzten großen Reise. Was ich schon wusste: Die dürfen entweder gar nicht oder für min. 3 Tage an Land, bis der Corona-Test ausgewertet war. Die arme Crew ist also schon 30 Tage auf dem Wasser, hat einmal einen Fuß an Land gesetzt um eine Mail zu senden und Wasser zu bunkern und macht schon den zweiten Test. Die administrativen Mühlen mahlen sehr langsam in Mindelo. Das habe ich schon mal erlebt. Und dann Nachrichten wie diese: „Hi Karin, die können nicht weiter, weil sie dazu die Erlaubnis von Minister XY brauchen und der ist gerade mit Familie in Urlaub.“ Aber Lutz macht’s möglich, ruft diesen Knaben einfach an und die Erlaubnis das Land (welches man ja nicht betreten hat) darf verlassen werden. Auslaufgenehmigung.
Heute morgen. Es ist der 4. 9. sind Gary und Crew in See gestochen. Jetzt sind noch 1050 Meilen zu segeln, ca. 1 Woche auf See. Der Weg von den Kap Verden auf die Kanaren ist länger als umgekehrt. Das liegt an den vorherrschenden Winden. Ich werde heute mal ein feines Fläschchen Wein kaufen, für Lutz, den wir im November in Mindel wieder sehen werden, auf unserem Weg in die Karibik. /Karin Binz
Wow…ja, da spürt man die Nervosität in euren Zeilen…aber 200% verständlich!!! Ich drücke weiterhin die Daumen…LG
Raymonde
Danke liebe Raymonde. Ich hoffe am Freitag geht es an Bord und wir werden natürlich berichten.
Liebe Karin,
ich kann JEDEN Gedanken von Dir absolut nachvollziehen! Ich finde diese Überlegungen auch nicht im geringsten abwegig 👍🏻😂.
Und lieber Holger: das musst du einfach aushalten 🙃.
Schön, dass sich alles in Luft aufgelöst hat. Wir drücken weiter die Daumen.
Liebe Grüße von der Mosel (wo der Wein auch nicht schlecht ist)
Bettina
Liebe Bettina, vielen DANK für das Verständnis. Wir gehen vermutlich am Freitag an Bord. Ich kann es gar nicht mehr abwarten und nachdem alles vollkommen unplanmäßig gelaufen ist, bleibt meine Spannung erhalten. Beunruhigenderer Weise neige ich nicht während der Krise zur Panik, sondern vorher. Also wenn ich solche Anwandlungen hatte kommt noch was 😉 Mal sehen, was es diesmal ist.
Euch eine wunderbare Moselweiterreise. Übrigens sind die Maare in der Gegend um Daun sehr schön und Alice Hartmann macht einen köstlichen Cremant.
Liebe Grüße K