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Leopard Katamaran: Lust oder Frust?

Erfahrungen nach 5 Monaten mit einer Leopard 45

Nach ein paar Tausend Seemeilen und fast 5 Monaten Leben an Bord, ist doch mal eine Prima Gelegenheit für eine erste Bewertung unserer Entscheidungen. Sind wir happy mit der Wahl für einen Kat im Allgemeinen und Leopard im Besonderen?

In der Bucht von La Grande Anse in Martinique sind wir gerade ein bisschen eingeweht, denn bei 7 Bft trotz Landschutz wollen wir nicht unbedingt durch die noch windigere Passage nach Dominica und Guadeloupe. Bis sich der Wind entspannt, haben wir Zeit zum Rekapitulieren.

Während die Monos vor uns rollen, schunkeln wir ein bisschen vor uns hin. Den kräftigen Wind in der Bucht stecken wir weitgehend ungenervt weg. Ka spielte eben noch Piano.

Der Lebensraum auf der Leopard ist grandios. In allen Fragen zum Komfort und Lebensqualität ist dieser Kat unschlagbar. Beim Segeln macht mir ein Mono immer noch mehr Spaß. Nicht unerwartet, haben wir am Wind Schwächen, vor dem Wind Stärken. Bei unserem Crossing wären wir mit einem ordentlichen 50er Mono mit den richtigen Segeln vermutlich nicht viel später angekommen, als mit unserer Leopard. Dafür aber wesentlich unkomfortabler.

Auch bei der Segelsicherheit fühlen wir uns sehr wohl. Auf dem Atlantik kam unser Mädel prächtig auch mit beachtlichen Wellen klar. Wir können uns da deutlich an unerfreulichere Momente bei unserem letzten Crossing auf der Hanse erinnern. Und beim Segeln kann man sicher jederzeit einen Kaffee machen, ohne sich zu prellen oder zu verbrennen. Oder auch im Bett schlafen. Alles etwas easier. Die Anlegen funktionieren viel besser als gedacht, obwohl man vom Steuer nichts von der Backbordseite sieht. Und vor Anker: da ist das Leben auf einem Kat Lichtjahre besser als auf einem Mono.

Ka und ich sind uns einig, das die Entscheidung für den Kat goldrichtig war.

Dann bleibt noch die Frage: war Leopard die richtige Entscheidung?

Wenn man nach 5 Monaten an Bord ist und erst seit einer Woche endlich vor Anker liegen kann, dann ist nicht alles perfekt gelaufen. Wir hatten sehr viele technische Probleme mit der Leo. Aber 90 % hatten die gleiche Ursache: Elektrik. Bei unserem Schiff muss ein Lehrling der ersten Woche oder ein Monteur mit Dauerkater am Werk gewesen sein. Kleiner Auszug? Antenne, Mastkabel, Funk, AIS, Watermaker (mehrfache Fehler), Ankerwinsch, Ankerkontrolle und Ankerkettenzähler liefen nicht. Lichtleisten fehlten, Navigationsplotter defekt. Kabel haben die falschen Farben, Kontakte sind lose und oder schlecht verklemmt. Die Schaltpläne sind Murks.

Irgendwie klappte nichts, was Strom brauchte. Und die Kirsche auf der Torte war die Deadman Fuse, die uns mitten auf dem Atlantik einen totalen Blackout brachte. Ich habe ganz ehrlich keine Ahnung, wie wir das ohne einen Profi an Bord gemeistert hätten, mit meinen überschaubaren technischen Fähigkeiten. Und irgendwann ist es nicht mehr witzig, wenn jeder Elektriker an Bord sich über die Installationen amüsiert oder am Kopf kratzt. Meine Meinung dazu habe ich Leopard Kund getan. Bin gespannt, ob es darauf ein Feedback gibt. Und wie ging Leopard bisher damit um? Bei allen Problemen auf dem Atlantik, gab es Null Support. Der Leopard Mitarbeiter in Kapstadt wagte es allen Ernstes, uns mitten auf dem Atlantik über Sat Mail auf die übliche Garantieabwicklung hinzuweisen. Das war ganz schwach.

Wo Schatten ist, gibts auch Licht.

Als wir dann in der Karibik ankamen, war zumindest die Garantieabteilung in Frankreich, genau genommen Yann, eine echte Hilfe. Er organsierte, dass auch der letzte akute Fehler in Martinique beseitigt wurde. Insgesamt scheint mir bei Leopard ganz viel Luft nach oben zu sein, wenn es um die Kundenbetreuung geht. Da fehlen einfach viele kleine Gesten, großer substanzieller Support und eine Qualitätskontrolle. Yann als Ausnahme von der Regeln mal ausdrücklich und lobenswert ausgenommen.

Wären die endlosen elektrischen Probleme nicht gewesen, dann sähe die Sache ganz anders aus. Die Leopard ist klasse verarbeitet. Nichts klappert oder knirscht. Es gibt viele schöne Details, die das Leben an Bord angenehm machen. Der größte Vorteil ist für uns aber die vordere Lounge mit der Durchgangstür. Diese Frontlounge ist ein zusätzlicher Lebensraum, ein echter Knaller. Es ist genau so, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir frühstücken mal vorne oder hinten. Mal sitzen oder liegen wir vorne im Wind, mal lieber im Windschatten hinten. Uns war wichtig, dass wir eine (der letzten) Leopard 45 Versionen ohne Dachlounge bekamen. Eine Super Entscheidung. Es gibt für 2 oder 4 Leute so viel Platz an Bord, dass dieses Dachgedönse völlig nutzlos und nur nachteilig wäre.

Ganz großes Kino ist unsere Stromversorgung. Mit den Lithium Batterien und Solar Panels sind wir Strommäßig autark . Nur mal für die Waschmaschine brauchen wir ab und zu einen extra Stromzuschlag vom Generator oder Landstrom. Ein großartiges Gefühl, nicht jede Ampere Stunde zählen zu müssen.

Wenn die Leopard mal richtig funktioniert, dann ist sie genau das richtige Schiff für uns.

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Wir haben in den letzten Wochen mit Eignern von neuen Lagoons oder Fontaine Pajots gesprochen. Technisch hatten die mindestens so viel Ärger und auch nur einen überschaubaren Support, immerhin aber Welcome Packages, die es bei Leopard nicht gibt.

Aber wir haben den Vorteil, dass wir nicht auf ein Händlernetz warten müssen, sondern die notwendigen Handwerker selbst engagieren müssen/können. Das spart Zeit. Deren Rechnungen zahlen wir dann im Voraus und Leopard erstattet dann, irgendwann.

Der Hauptunterschied zu den anderen Kats ist der, dass uns unser Schiff einfach wesentlich besser gefällt. Die Tür zur vorderen Lounge ist genial und sorgt immer für frische Luft. Wir hatten unsere Klimaanlage noch nicht eine Minute im Einsatz.

Und was die Segelperformance betrifft: die ist ok. Eine Leo ist kein Gunboat, aber wir wollten ja auch einen Cruiser. Verglichen mit Lagoon und Fountaine Pajot, läuft sie prima und ist auch gut zu zweit zu handeln.

Falls wir jetzt tatsächlich die Böcke an Bord beseitigt haben, dann werden wir das Schiff vermutlich mit jedem Tag mehr zu schätzen wissen. Der Frust wird vermutlich vergehen und die Lust wachsen. Die Karibik ist einfach ein perfektes Revier für Kats – und zufälliger Weise sind wir ja genau dort. Mal sehen, was wir nach 12 Monaten an Bord denken. Wir halten Euch auf dem Laufenden. /Holger Binz

3 Kommentare zu „Leopard Katamaran: Lust oder Frust?“

  1. Hallo Holger,
    Ich glaube es gibt kaum ein Boot auf den Weltmeeren das nicht ohne Probleme aus der Werft gekommen ist. Bei den Einen gibt es mehr davon, bei den Anderen etwas weinger. Auch wir werden unsere Fountaine-Pajot nochmal in die Werft bringen um eine Handvoll Probleme zu bereinigen. Aber wir kommen eigentlich noch recht gut weg. Ich habe mit dem Eigner eines Neel Trimaran gesprochen, der sage und schreibe über 200 Reklamationen hatte… Support von Neel: Null. Und das bei einem Preis von 1,5 Milionen.
    Geniesst eure Zeit… schöne Grüsse.

  2. Hallo Holger,
    das Problem mit Eurer Elektrik war wirklich mehr als ärgerlich. Wir waren bis zur Auslieferung auf so einem guten partnerschaftlichen Weg – auch für mich persönlich ist dieser „Zwischendämpfer“ sehr unerfreulich gewesen. Und bei der Abnahme in Kapstadt durch Euren Skipper war bis auf den Watermaker weitestgehend alles in Funktion. Nun gut – manchmal steckt die Tücke im Detail. Immerhin hatten wir so die Möglichkeit zu beweisen, dass unser Support in St. Raphael (Yann sei Dank!) funktioniert. Vom Grundsatz seid Ihr ja offenbar weiterhin mit Eurer Entscheidung zu Leopard recht glücklich. Das freut mich natürlich sehr. Genießt Euer (jetzt endlich vollfunktionsfähiges) Schiff und habt eine schöne Zeit! Herzliche Grüße – Christoph

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