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Ankunft auf den Kapverden

Und immer passiert es nachts

Beim Start einer Rally geht es so geschäftig zu, das man gar keine Zeit hat sich wie Kolumbus zu fühlen. Schade eigentlich, denn wir segeln fast denselben Weg. Ok, wir haben Navigation, Dusche, Kühlschrank und noch einigen Schickschnack mehr an Bord, der das Leben vermutlich einen Tuck angenehmer macht. Und wir sind schneller.

Beim Auslaufen am Sonntag haben wir so getan, als sei es eine ganz normale ARC+ und schmetterten beim Ablegen aus allen Lautsprechern „Toes“ von Zak Brown. „Toes in the water, ass in the sand, life is good today…”. Passt gut zu unserer Reise, hört mal rein und das Wintergrau vergeht. Das war unser Dank an die formidable ARC Crew, die uns winkend am Hafenausgang verabschiedete. Habt ihr gut gemacht, Leute.

Die ARC+ 2020 wurde zwar nicht wie üblich von einer Band und reichlich Zuschauern verabschiedet, aber dennoch waren einige Zuschauer auf die Pier gekommen. Vor allem der Besuch unseren neuen irischen Segelfreunden Rose und Peter hat uns sehr gefreut. We will meet again. Somewhere.

Beim Start zwischen den Tankern und Cargo Schiffen vor Las Palmas das Committe Boat (Startboot) und die Startlinie zu entdecken, hatte was Bizarres. Wenn dir ein Tanker komplett den Wind nimmt, das bisschen was da war, dann sieht mal wo der ganze Stahl der Welt gelandet ist. Mann, was brauchen die Rostschutz und Akkupads.

Unser erster Tag lief ziemlich zäh im flauen Wind. Das war aber nicht so übel, denn unsere Crew musste sich erst mal einspielen und den Kat verstehen. Vor Beherrschen will ich noch gar nicht reden, eher von segeln lernen. Aber nicht mal die übliche acceleration zone in der Inselmitte hatte Bock auf Action und blieb in ihrer Höhle. Vermutlich Selbstquarantäne. Und weil es so flau war, änderten wir unseren Plan und ließen den Spinnaker auch nachts oben, nur um überhaupt etwas voran zu kommen.

Mit einer großen Crew von 5 ist das Handling natürlich viel einfacher, als zu zweit. Verglichen mit unserem 2016 Crossing zu zweit, ist das zu fünft auf einem Kat ein cooles Leben. Ich kann mich nicht erinnern, das Ka oder ich beim letzten Crossing überhaupt mal im Bett geschlafen haben. Meist gingen die paar Stunden Schlaf im Salon auf der Bank oder auf einer jämmerlich dünnen Luftmatratze draußen im Cockpit mit schmerzendem Rücken irgendwie um. Wenn wir jetzt in unseren Off-Wachen im richtigen, komfortablen Bett schlafen, haben wir nur sicher zu stellen, dass wir dafür zu sorgen, das wir nicht wegrollen. Für die Rückenlage hat sich die umgekehrte Y Position bewährt. Wenn nur einer von uns im Bett schläft, geht besser noch eine X Position. Seitlich bevorzuge ich eindeutig die K-Stellung.

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Approaching Sao Vincente
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Magic sky in Cape Verde

Notmanöver und Blackout

Und gleich in der ersten begann das Event Programm „Action und Stress – die die Welt nicht braucht“. Und klar, mitten in der Nacht. Ein freundlicher ARC Teilnehmer kreuzte unseren Bug, ohne auf unseren Funkruf zu reagieren. Das ging noch gut. Und dann kam ein zweiter ARC Segler vor unsere Nase, dem der Strom für den Funk wohl auch zu teuer war. Keine Antwort auf unsere Anrufe. Mit dem Spinnaker hat man nur einen geringen Navigationsraum von max. 40 Grad, in unserem Fall waren es 20, denn wir waren auf 180 Grad vor dem Wind. Der Andere war unter Normalbesegelung und hätte easy ausweichen können. Tja, da war es dann, unser erstes Notmanöver. Spi im Karambolagemodus bergen. Ging alles gut und nichts und niemand wurde beschädigt. Aber wir waren ziemlich angepisst. Die gute Fahrt im Eimer, zwei Stunden verloren und dazu noch jeweils 2 Motorstunden auf der Uhr, die uns später auf die Zeit aufgeschlagen werden. Was ist ein angeschaltetes Funkgerät doch für ein Wunderwerk der Technik. Liebling, wir müssen reden – im Hafen von Mindelo.

Die nächsten Tage frischte es auf und wir konnten unseren Anfangsrückstand mit guter Fahrt aufarbeiten und die 10-20 kn Wind gut in Speed bis zu 10 kn umsetzen. Und ganz langsam kamen sie auch wieder, die Seebeine. Das hat nur bedingt mit Standfestigkeit zu tun. Es dauert, bis man sich an die ständige Bewegung, die Wellen und Wind gewöhnt hat. Häufig machen die ersten Tage sehr müde und lethargisch. Jede Tätigkeit kostet Überwindung. Aber das legt sich nach ein paar Tagen.

In der dritten Nacht gab`s dann das zweite unbestellte Nachtevent. Wir saßen gerade gut gelaunt zum Abendessen zusammen, da war plötzlich der Strom komplett weg. Blackout. Navigation, Licht, Autopilot – alles weg. Und Aktion. Ich sprang zum Ruder und kümmerte mich darum, das wir den Spi im Dunkeln und ohne Autopilot nicht verloren. Wir starteten Motor und Generator zur Sicherheit und dann begann die Fehlersuche. Alle Schotts mit Elektrik wurden aufgeschraubt, es sah aus wie in einer Werft. Nur im Schein der Taschenlampen etwas gespenstiger. Nichts zu finden, uns gingen die Ideen aus. Oh wie gut, das es Sat Telefone gibt.

Bei Leopard war niemand mehr erreichbar und so erreichte Garry seinen Kumpel –  auch Garry –  der den rettenden Tipp gab. Die Deadman Sicherung war rausgesprungen. Das sollte eigentlich nie passieren, zudem es auch keinen erkennbaren Grund gab. Ich wusste nicht mal, dass es so ein Ding an Bord gibt. Nach 3 Stunden hatten wir wieder Power und konnten die Kurs fortsetzen. Warum im Himmels Willen, muss dieser Mist immer nachts passieren? Das war übrigens der Tag (11.11) an dem wir in Barbados ankommen wollten, in den Zeiten vor Covid.

Flüchtlingsboot

Und falls dann doch mal ein paar Stunden nichts passiert, dann taucht aus dem Nichts ein Flüchtlingsboot auf. Ein super motorisierter Holzkahn mit ca. 30 Leuten an Bord. Kein Notfall und für uns eher eine Bedrohung, als ein Hilfefall. Hilfe sollten wir auch in keinem Falle leisten, so die ARC Briefings. Statt dessen kontaktierten wir die spanische Küstenwache. Ausgang offen. Aber sobald wir den Jungs das Zeichen gaben, machten sie sich vom Acker. Schien so, als ob sie keinen Bock auf professionelle Hilfe hatten.

refugee vessel offshore
Visit from a refugee vessel

Am Donnerstag liefen wir dann in eine bleierne Flaute, die uns den geheimen Plan vor 5 Segeltagen kostete. 6 kn Wind trieben uns dazu, den Code D zu setzen. Das ist ein Segel, das jeder Fußball Fanclub mit Freunde durchs Station reichen würde. Also richtig groß. Aber wenn kein Wind weht, nützt auch der größte Lappen nichts. 2,5-3-0 kn und das auf dem falschen Kurs. Um 01.00 h nahmen wir es runter und setzen den Spinnaker. Der Kurs wurde erst mal besser, aber höchstens 4 kn Speed hätten uns erst Anfang der Woche nach Mindelo gebracht. Auf meiner Nachtwache drehte der Wind noch weiter, Richtung Brasilien. Um 04.00 h bargen wir den Spi und starteten zum ersten Mal den Motor mit dem Ziel, Meilen zum Ziel gut zu machen.

Diese 03.00 bis 06.00 h Nachtwache war aber meine erste in Shorts. Wir sind jetzt offiziell im Warmen angekommen. Ich hoffe aber, das sich diese Nachtaktionen nicht etablieren, auf unserem weiteren Weg. Es geht doch nichts über richtig ereignislose Nächte, in denen mach einfach nur in den unglaublich strahlenden Sternenhimmel starren kann.

Unser Fischausbeute ist noch mau, das Meer zwischen den Kanaren und den Kapverden scheint ziemlich leer zu sein. Nur einen Hai sahen wir mal an den Ködern schnuppern. Unsere ersten Delfine besuchten uns erst 250 nm vor den Kapverden. Das aber richtig, mit der gesamten Verwandtschaft und gleich mehrmals. Es ist ein Traum am Bug zu sitzen und diesen sensationellen Tieren zuzuschauen. Ich hoffe, sie haben den gleichen Spaß mit uns.

Wir wollen natürlich noch was von den Kapverden sehen und am Montag steht auch der nächste C19 Test für St. Lucia an. Also warfen wir am Freitag die Motoren an, was uns im Ziel auf die Segelzeit als Handicap aufgeschlagen wird. C`est la vie. Bis dahin waren wir aber der schnellste Kat der Cruiser. Wir haben noch zwei Raketen Kats im Feld, die für uns unerreichbar in einer anderen Liga segeln. In unserer Cruiser Liga sind wir vier und das ist dann unser Wettbewerb. (Nein Ka, wir segeln kein Rennen . Außerdem findet Karin, das die coolen Jungs ja auch immer hinten im Bus gesessen haben).

Es ist schön, wieder nach Mindelo zurück zu kommen. Am Samstag um 1900 h machten wir in der Marina fest und warteten auf unsere Clearance. Am Donnerstag ist der Restart. Bis dahin müssen wir noch ein paar Sachen an Bord in Ordnung bringen, nachverproviantieren und natürlich auch noch Sao Vincente und San Antao erkunden. Vielleicht schaffe ich es noch, vor unserem Start am Donnerstag etwas zu schreiben. /Holger Binz

 

 

 

 

 

7 Kommentare zu „Ankunft auf den Kapverden“

  1. Also es klingt wie ein Roman mit endlosen Abenteuern, wenn wir euren Bericht folgen. Wir freuen uns so, das wir euch am Strand von Las Caleta haben treffen dürfen. Wir hängen förmlich am Email-Eingang und können es gar nicht erwarten noch mehr zu lesen. Das die „aufregenden“ Dinge immer Nachts passieren ist wohl etwas was zum Segeln scheinbar dazu gehört. Aber ihr habt ja eine tolle Crew und ordentliche Betten. Wir bleiben am Gerät und wünschen Euch den richtigen Wind und „trostlose“ Nächte.
    Jürgen und Angelika

  2. Hallo Karin und Holger,
    Bravo und Glückwunsch zur ersten grossen Etappe mit eurem neuen Kat.
    Wenn Holger so weiter schreibt, gibts ein schönes Buch.
    Und bitte grüßt auf San Antao Adam und Eva und die Schlange von mir

  3. Hallo in den warmen Süden, Ihr beiden,
    Was für aufregende Erlebnisse! Aber deswegen macht ihr das ja auch 😉
    Wünschen weiterhin viel Glück und Erfolg – und bleibt gesund!
    Liebe Grüße aus Berlin
    Bettina und Ernst

  4. Wir lesen mit Freude und haben Spaß an den Schilderungen, weiter so. Vor einem Jahr waren wir auch auf Mindalao, mit Azamara Kreuzfahrt nach Brasilien.
    Liebe Grüße
    Irene und Horst

  5. Hi guys! We really enjoyed reading your blog full of details. No trip is without its challenges that’s for sure and you have had plenty. This time it’s great for you to have the support of your crew which makes all the difference! Will you be able to blog during the crossing? With regard to your incident with the other yacht – was he by any chance the guy that lost his prop!! We heard one was lost on route and it might explain his erratic behaviour!!! Hope you enjoy your rest in Cape Verde. Very best of luck and fair winds!

  6. Ahoi Karin und Holger,
    habe jetzt endlich auch Euren Blog entdeckt – was für ein nervenzerfetzendes Abenteuer bis dato, obwohl Ihr die meiste Zeit nicht an Bord wart! Oder besser gesagt, _weil_ Ihr nicht an Bord wart. Aber jetzt ist das Kapitel abgeschlossen und es soll ein neues, positiv aufregendes, wunderschönes beginnen!
    Passt auf Euch auf, hoffentlich sehen wir uns auf den Bahamas.
    Herzlichst handbreit
    Euer Tom //SY Photon

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