Der lange Weg zum Flow

oder: Scheiß Hochzeitstag

Unsere Tochter Jil hat in Ihrer Profession für das Personalwesen einmal ein großartiges Programm entwickelt. How to flow.

Auf solch einen Flow warten wir nun schon eine ganze Weile. Kurzfassung, denn findige Leser wissen das wohlmöglich schon, dann überspringt einfach die Aufzählung.

Dezember: Haus muss verkauft werden und alles was drin und dran ist.

Januar: Covid arrived. Wird sich der Schiffsbau verzögern?

Februar: Covid macht ernst: Kann das Schiff gebaut werden? Hält die Werft das durch?

März: Klappt der Hausverkauf wie geplant?

April: Dürfen wir nach Kapstadt einreisen und darf unsere Crew das auch?

Mai: Was machen wir ab 13. Juni? (Auszug aus dem Haus)

Juni: Hotel Odyssee und wir dürfen nicht nach Kapstadt

Juli: Rivercafe wird mit uns unbekannter Crew nach Teneriffa gebracht

August: Einerseits herrliches Leben in Ruth und Gilberts Wohnung, andererseits wo ist die Rivercafe? AIS-Fehler, Wassermacher geht nicht. Wir müssen von Teneriffa aus dafür sorgen, dass die Crew auf den diversen Stationen Wasser bekommt.

September: Ankunft. OH Hilfe die Rivercafe ist eine Baustelle, riesig und wir haben keinerlei Erfahrung

Oktober: Wir in Gran Canaria, organisieren, Schiff kennen lernen, Crew kommt früher wg C19

November: Start des Crossings, mein Papa stirbt, ich darf nicht reisen.

Dezember: Ankunft, 1000 Dinge die jetzt repariert werden müssen. Die Crew kann nicht wie geplant von Bord und unser Enkelsohn (und Freunde) dürfen uns nicht besuchen (Covid).

Januar 2021

Was ich mir vor allem von dieser Reise versprochen hatte, war das Langsam werden. Und ein bisschen minimalistisch. In einem Leben, in dem es nicht von unnötigen Materialien wimmelt, in dem man Zeit für Familie (leider nur digital) zum Briefe schreiben, das Kinderbuch für meine Enkel schreiben, ein bisschen Piano spielen, schnorcheln, tauchen, Stand-Up-paddeln, lesen, malen und die Welt anschauen. All das langsam bitte.

Auf dem Ozean und auch noch einige Zeit danach bestand nicht die geringste Zeit zum langsam sein. Die Jungs wollten effektiv segeln. Die meisten Segelwechsel waren hektisch und aufregend. Weder als Crew noch mit den Schiff hatten wir viel Erfahrung und Jana stand gefühlt unentwegt in der Küche (von Minimalismus keine Spur). Ich habe auf See noch nie so viel gegessen.

Und nun sind wir im Paradies angekommen. Dachte ich. Stimmt auch. Aber immer noch weit vom Flow entfernt. Der Wassermacher muss repariert werden. Nicht so einfach scheint es. Jetzt läuft er. Aber wir müssen das Ding jedes Mal manuell anwerfen in einer Kiste die unter dem Bett verstaut ist. Die meisten Verkabelungen sind eher grausam. Radio und AIS waren vertauscht. AHH darum hatten wir kein AIS und konnten per Funk niemanden hören. Die Ankerwinsch ist nicht funktionsfähig und und und.

Um nun endlich zu unserem 29. Hochzeitstag zu kommen:

Als wir gestern, an unserem Hochzeitstag entschieden haben, die Marina zu verlassen und vor Anker zu gehen, dachten wir: Wunderbar, das ist das, wovon wir die ganze Zeit geträumt haben. Wir testeten den Anker (der noch nie benutzt aber schon 2 mal getestet war) und … leider, leider nix. Roger oder besser Rogers Freund versuchte sein Bestes. Stellte fest, dass die Verkabelung und die Diagramme nicht übereinstimmen. Zeigte uns einige vollkommen unlogische Kabel, die lose und unisoliert in der Box lagen und dass das Remote Instrument gar nicht angeschlossen war. Nach einem Tag gab es eine Fast-Lösung die uns das Ankern erlauben sollte. So der Plan.

Kaum draußen kam eine enorme Böhe auf und machte das Ankern nass und etwas ungemütlich. Wir lagen dann doch ganz gut, bis wir enddeckten, dass wir einem kleinen Boot sehr nahe kamen. Unser Anker saß, aber die Entfernung stimmt einfach nicht. Also Anker auf und umankern.

Der Anker ließ sich aber leider nicht aufnehmen und mein Gott sei‘s gepriesen und gepfiffen starker Mann musste 20 Meter Kette plus Anker per Hand aus dem Meer ziehen. Wer das mal gemacht hat, weiß wovon ich spreche. Also wieder rein in den Hafen, Rogers Freund muss her. Der findet einen weiteren Fehler, repariert was er kann und morgen gehen wir wieder raus.

Ein schönes Abendessen im Thai & Western Restaurant, alleine und romantisch, mit Blick auf den Hafen hat uns ein wenig befriedet. Als wir zum Boot kamen, sahen wir die Toilette, die 2 Tage zuvor repariert worden war, lief von unten her voll. Nicht über aber sehr, sehr voll. Zu müde verschoben wir dieses Problem auf den nächsten Tag.

Mitten in der Nacht war mir das Spiel einfach zu viel. Ich hatte eine derartige Wut auf alles und nichts im Bauch, dass ich die Werkzeugkiste rauskrampte, mich auszog und die dusselige Toilette auseinander baute (geruchstechnich kein Spaß). So fand mich dann mein Schatz, nackt auf dem Badezimmerboden, diverse Teile und Ersatzteile zusammen schraubend und viel besserer Laune. Juchheißa sa, ich kann eine Bordtoilette reparieren. Nach einer langen und ausgiebigen Dusche lag ich gegen 3 Uhr im Bett und heute, ja heute liegen wir wirkilich vor Anker und empfinden uns im Paradies und hoffe, das dieser Flow noch ganz lange anhält.

Falls der Anker dann morgen früh hochkommt, geht es weiter nach Martinique. /Karin Binz

6 Kommentare zu „Der lange Weg zum Flow“

  1. Oh la la ma chérie, quelle histoire épouvantable d’ancre mais quel merveilleux arc en ciel …

    Je vous embrasse tous les deux et bon courage pour les réparations

  2. die Beschreibung ist filmreif.
    Haltet durch!
    Es kann ja nur besser werden.
    Hier in old germany gibt es weiterhin harten lockdown bis Ende Januar.
    Also kein Thai-Restaurant-Besuch.
    Alles Gute
    Jürgen

  3. wow – ja der Flow ist scheinbar in einer ganz langsamen Geschwindigkeit auf dem Weg zu Euch. Aber nun werdet ihr sicher nicht nur gute Segler sondern könnt offensichtlich bald auch Alles alleine reparieren. Ein Wissensvorsprung der sicher nicht gewollt war – aber er wird jede weitere Schwierigkeit kleiner aussehen lassen. Genießt Euch
    Glückwunsch zum Hochzeitstag …..

  4. Herzliche Glückwünsche zu Eurem Hochzeitstag 💕💐, der hoffentlich der Startschuss für den ersehnten Flow ist. Wir drücken die Daumen.

    Wenn wir die Reparaturen Odyssee lesen, fragen wir uns, was machen die eigentlich Hauptberuflich?! Toi, toi, toi, dass die Pannenserie endlich vorüber ist!!!

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