Zurück in Montenegro
Die Rückkehr zu einem Schiff nach längerer Zeit fühlt sich so an, wie die Rückkehr als 13-jähriger zur ersten Freundin nach den Sommerferien. You never know.
Aus der Fernüberwachung wussten wir, dass Strom und Elektrik in Ordnung waren. Wir hatten Andjelko damit beauftragt, in unserer Abwesenheit nach der Rivercafe zu schauen und das tat er vortrefflich, inklusive einer feinen Reinigung vor unserer Ankunft.
Schiffe wären keine Schiffe, wenn nicht immer irgendwas zu reparieren wäre. Wie nicht anders zu erwarten, füllten sich die Zeilen unserer to-do-Liste schnell. Diese Listen sind die wahrlich dunkle Seite des Segelns, denn kaum ein Punkt geht ohne „AFT“. Das steht nicht – wie Kreuzfahrt Touristen vermuten – für das Heck eines Schiffes. In der Seglersprache bedeutet es „another five thousand“. Oder der Umstand, das jeder einzelne Schaden statistisch gehäuft um die 5.000 € liegt (+-)
Kleine Freuden: der Frühling kommt und frische Austern von Fischern in der Bucht
Die Kunst der Impro
Mental besonders unerfreulich war der Ausfall der Heizung unserer Aircon. Bei anfänglich 5 Grad Nachtemperaturen war es ziemlich ungemütlich an Bord. Zu unserem Glück trafen wir auf Dragan. Er baute die Aircon Unit aus und während ich schon ein paar Nächte im Hotel klar machen wollten um unsere Ehe zu retten, lieferte Dragan am nächsten Tag wieder Wärme auf die Rivercafe. Und in unsere Herzen.
Eben dieser Dragan brachte auch die Reparaturen auf den Weg, die wir seit der Übergabe unserer technisch mäßig kompetenten Delivery Crew des Atlantic Crossings im vergangenen Sommer mit uns herumschleppten. Natürlich alle auf unsere Kosten, frei nach AFT.
Generator Ausbau, im Hintergrund das nervigste Schiff der Welt, Olivia O.
Nun entdeckten wir eine für uns neue und für Segler besonders attraktive Seite an Montenegro: die Kunst der Improvisation. Eine Kunst, die manchen Ländern Osteuropas nachgesagt wird. Dragan baute unseren Generator aus und war überzeugt das Teil auch ohne die sündhaft teuren und dazu nicht lieferbaren Ersatzteile von Northern Lights aus den USA wieder zum Leben zu erwecken. So haben wir die Chance auf eine Wiederbelebung, die statt sündhaft- nur einfach teuer wird. To be continued.
Leider wars das nicht. Unser fälliger Motorservice ergab, dass die Dichtung unseres portside saildrives (das ist der winklige Propellerantrieb unter Wasser) undicht und Seewasser im Öl zu finden war. Damit muss die Rivercafe an den Kran, denn der Schaden kann nur an Land repariert werden. Unser Plan war eigentlich dieses Jahr ohne Landbehandlung auszukommen. Eine Gelegenheit diese schlechte Nachricht mit der Beseitigung einer weiteren unerfreulichen zu verbinden: hatte im letzten Juni noch Just Catamarans in Fort Lauderdale einen neuen Anstrich an unser Unterwasserschiff gepinselt, so sah unser Rumpf wieder aus wie ein gedeihendes Gemüsebeet aus Seegras, Schnecken und Pocken. Das ist eindeutig keine Empfehlung für den Anstrich mit Interlux Micron CSC, das war einfach nur mieses Zeugs. Somit nutzen wir die Gelegenheit, um zu unserem alten Lieblingsprodukt zurückzuwechseln, das bisher deutlich besser und länger funktionierte. (Keine Werbung hier).
Baustelle Porto Montenegro
Wir warten nun auf einen Krantermin, der für nächste Woche avisiert ist. Wenn dann alles wieder flott ist, können wir uns gedanklich mit Griechenland beschäftigen. Und dorthin möchten wir lieber früher als später aufbrechen, denn der so schicke Porto Montenegro ist zu einer Werft verkommen. Gleich hinter uns, 20 m entfernt, liegt die 88 m Yacht Olivia O des reichsten Israelis Eyal Ofer. Das Milliardär Dasein garantiert offensichtlich kein anständiges Benehmen, denn diese Flickschuster Crew ist völlig ignorant gegenüber den anderen Hafenliegern und lärmt den ganzen Tag wie Teufel. Sie sind mit der langsamsten Crew der Seefahrtsgeschichte dabei, dass Schiff seit Monaten völlig dilletantisch zu polieren. Mit drei Kränen, die sie nicht richtig bedienen können, terrorisieren sie rücksichtslos die anderen Anlieger und machen die Marina zur Baustelle. 7 Tage die Woche, sogar über Ostern. Der Marina ist es egal und beruft sich auf Verträge. Jämmerlich. Ein guter Grund nicht wieder zu kommen, denn das darf eine Marina nicht zulassen. Insbesondere nicht bei den üppigen Liegegebühren und bei Vollauslastung.
A propos Ostern: das fand hier nicht zu Ostern statt, sondern wird orthodox erst im Mai gefeiert. Daher durfte auch die Olivia O zu Ostern viel Lärm um wenig Ergebnis machen. Unser verwutztes Osterfest werden wir dann wohl im Mai in Griechenland nachholen, die ebenso orthodox – aber hoffentlich friedlicher – feiern.
Kroatien: das Drama von Dubrovnik
Die Wartezeit bis zum Krantermin in der nächsten Woche nutzten wir, um Dubrovnik in Kroatien zu besuchen. Mit dem Schiff wären das nur 35 nm, mit dem Auto 70 km. Aber 35 nm können so weit weg sein. Anders als Kroatien ist Montenegro ist nicht der EU und der bürokratische Aufwand für Permits, Zoll und Immigration ist in beiden Ländern absurd. Zeitaufwändiger und teurer als die Reisezeit. So stiegen wir ins Auto und überquerten nach 28 km die zwei Grenzstationen mit Kontrolle und Wartezeit, so wie im letzten Jahrtausend üblich.
Dubrovnik von oben und unten
Die Route ist keine Minute langweilig und führt in großen Teilen am Meer entlang. Rechts Berge, links das Meer – über uns die Sonne. Dubrovnik ist eine kleine Stadt mit 45.000 Einwohnern, aber einer unglaublichen Festung und Altstadt. Das macht Dubrovnik zu einem must-see Touristen Highlight im Mittelmeer. Im Sommer drängen sich Besucher wie in Venedig, jetzt im April war es noch ok.
Hier in der Adria Region gibt’s viele besonders schöne Altstädte wie Kotor, Budva oder Lecce auf der anderen Adriaseite in Italien. Aber keine andere wurde vor 30 Jahren brutal angriffen und von der Jugoslawischen Volksarmee sinnlos zerstört. Serben und Montenegriner griffen zwischen 1991 und 1992 die Stadt an – eine völlig demilitarisierte und ungeschützte Stadt wohlgemerkt. Sie töteten 114 Zivilisten. Eine Ausstellung berichtet verstörend von diesen Kriegsverbrechen und den Tätern, überwiegend Serben, die von Kriegsverbrecher Tribunalen verurteilt wurden. Nach 30 Jahren sieht man keine Spuren dieses Wahnsinns mehr. Es bleibt aber interessant zu sehen, wie die Völker Ex-Jugoslawiens heute miteinander klar kommen.
Auf dem kroatischen Teil der Strecke sahen wir einige Unterschiede zu Montenegro. Der kroatische Teil war deutlich gepflegter und weniger „80er“. Wir fanden die Menschen auch freundlicher – aber das ist nach so kurzer Zeit auch nur eine Momentaufnahme, wenn auch eine auffällige.
Unser nächster Landausflug wird uns nach Bosnien-Herzegowina führen, auch nur etwas mehr als eine Autostunde entfernt. Und dann wissen wir hoffentlich mit Sicherheit, dass auf der Rivercafe alles bereit ist für den neuen Saisonstart. / Holger Binz