Last Christmas

Los segeln – los lassen

Es ist Freitagnachmittag. Ein sentimentaler Freitag. Los segeln – los lassen sind noch 230 Tage entfernt. Wir haben zum letzten Mal in diesem Haus die Weihnachtsdeko aus den Kisten geholt. Noch ist es nicht mal Advent, aber Holger ist ein Weihnachtsmensch. Er liebt Advent, er liebt es, wenn am Abend die Kerzen brennen und im Kamin ein Feuer lodert. Blue Hour haben wir genau diese Stunde auf dem Meer genannt. Noch ist es nicht dunkel. Alles ist in ein Blau getunkt, Ral 5003 würde ich als Designerin sagen.

Und das ist überall gleich. Dieses Blau.

Ich übe mich im Loslassen. Nicht leicht denke ich und habe inzwischen festgestellt, dass ich ein sehr schlecht ausgebildeter Loslasser bin. Einige meiner Jacken sind 10 Jahre alt. Auch Jeans oder so mancher Sweater haben dieses Alter erreicht. Ich will nichts wegwerfen, was ich noch mal brauche könnte.

Aber ich muss loslassen, muss mich entscheiden. Was nehmen wir mit, was wird eingelagert und was wird verschenkt oder verkauft. Mit all dem Material werde ich fertig. Das ist mehr eine Frage der Konsequenz.

Mit den Menschen ist das schon eine ganz andere Sache.

Holger hat es einfacher. Seine Schwester ist 10 Jahre älter als er und kommt gut durchs Leben. Sein Neffe freut sich mit ihm und sonst gibt es niemanden mehr.

Das ist bei mir anders. Mama ist fit, aber sie wird bald 80. Wie sicher kann ich sein, dass es ihr noch lange gut geht. Papa hat sich letzten Monat einen fahrbaren Rollstuhl gekauft und schon 2 Herz-OPs hinter sich. Meine Geschwister sind wenig jünger als ich und somit natürlich alt genug. Sie sind überwiegend glücklich und auch da wird außer ein wenig Sehnsucht nicht viel passieren.

Bei meiner Tochter allerdings drückt mich der Schuh. Sie orientiert sich gerade um. Ihr Leben muss neu sortiert werden. Sie behauptet zwar mich nicht zu brauchen, aber hin und wieder ist auch einer 33-jährigen die Hilfe einer Mutter sehr willkommen. Sie macht sich Sorgen, sagt es aber nicht. Und sie ist auch ein bisschen sauer, sagt es aber nicht, weil sie mich nicht verletzten will. Sie schient enttäuscht zu sein. Denn nicht nur sie, sondern auch ihre beiden wunderbaren Kinder (4 und 7) werden uns vermissen.

Da ist das Loslassen am schwierigsten. Schon hier, mit einem räumlichen Abstand von 200 km ist es nicht einfach am Abend nach Hause zu fahren, oder sie nach einem Wochenende zu verabschieden. Wie gesagt ich übe mich darin.

Natürlich habe ich Ideen wie wir in Kontakt bleiben können. Auf der letzten Reise habe ich über 100 Postkarten geschrieben, habe einen kleinen Kids-Blog geführt, ein Kinderbuch über die Reise geschrieben und gedruckt mitgebracht. Und natürlich haben wir über Skype kommuniziert. Unsere Tochter war wenig angetan, hat den Kinder die Geschichten gar nicht erst gezeigt oder eben selten. Schon damals war sie enttäuscht, dass wir diesen Schritt gewagt haben. Los segeln – los lassen ist mir einfacher gefallen. Weil die Reise auf ein Jahr begrenzt war. 

Umso mehr Sorgen mache ich mir über die Beziehung zu Hannah und Henri, wenn wir auf einer sehr viel größeren Reise sind. Wir haben in unserem Finanzplan ein Reisebudget und auch für Skype wird gesorgt sein. Aber wie sieht dann die Realität aus? Das finde ich eben so schwierig am Loslassen. Nichts ist wirklich klar. Alles nur ein Plan, ein Vorhaben. Es wird sich zeigen, ob die Kinder Lust haben mit uns über Skype zu reden, ob sie das Interesse verlieren oder sich sogar verlassen fühlen. Wir haben den beiden Rivercafe-Crew-Shirts gedruckt. Ich werde wieder eine Kindergeschichte schreiben, in der ich unsere Reise illustriere. Ich hoffe, dass wir die Kinder oft sehen, dass sie uns besuchen kommen und dass wir unsere Abenteuer mit ihnen teilen können, ihnen ein Stück dieser wunderschönen Welt zeigen können. Und ich werde viele Postkarten schreiben.

Mit meinen Freunden ist das schon einfacher. Wir können mailen und skypen, Sie können uns besuchen. Natürlich, meine Freunde werden mir auch fehlen. Elle, Rike und Stephan, Irene, Birgit und Thommy, Valerie und Markus, Walter und Anki, David Holgers Neffe, Carl und Justus meine putzigen Neffen und so viele mehr. Und die, die mir immer dann nicht einfallen, wenn sie mir eben nicht fehlen. Jetzt vor dem Kamin, kurz nachdem die Blue Hour vorbei ist. / Karin Binz, Ral 5003-Liebhaberin

10 Kommentare zu „Last Christmas“

  1. Karin,
    ja, das Loslassen, sich von Bekanntem, Liebgewonnenen lösen…damit haben wir auch schon begonnen…ist nicht einfach!
    Ausser bei der Weihnachtsdeco…da fällt es uns doch sehr leicht…wir sind keine Weihnachtsmenschen…
    Liebe Grüsse
    Raymonde

    1. Léiwe Raymonde, Merci fir et liesen. Goen ze loossen ass och eng gutt Übung fir „Landlubber“.
      Ech kann dat verdammt schlecht. Prinzipiell géif ech jiddereen huelen, deen ech gär hunn. Awer den Dhingy ass einfach ze kleng 😉

      Léiwe Raymonde, Merci Liebe Raymonde, danke fürs Folgen. Das Loslassen ist ja auch für Landratten eine gute Übung. Ich bin verdammt schlecht darin. Im Grunde würde ich am liebsten alle mitnehmen die ich liebe und mag. Aber das Dhingy ist einfach zu klein 😉

  2. Exciting times, but also tinged with a little sadness. You have given life, but have also been given one to live, for yourself. My heart goes out to you but you will find a way, so will your loved ones. They will mostly be happy for you, as we all are. Love your photo and beautiful words. lots of love from me, Jenny xx

  3. Irene und Horst Simon

    Danke Karin, schön geschrieben. Jeder Moment im Leben ist eben auch immer ein Abschied, nicht ganz leicht. Aber Eure Pläne hören sich so toll an, sie nicht umzusetzen wäre doch schade, wir leben nur einmal. Wir hoffen auf viele Berichte, LG an Holger
    Irene und Horst
    auf dem Weg nach Kapverde und Rio

    1. Hallo Ihr beiden VIELREISENDEN. Ich freue mich, dass Ihr unserem Blog folgt. Unser Abenteuer liegt in 222 Tagen Entfernung und hat doch längst begonnen.
      Euch alles Liebe und Gute. K

  4. I believe this is the hardest time. You are committed but neither left or started a new life. I had many sleepless nights and concerns about leaving our sons, parents in law and mother . When you are on board a new lide engulfs you and you will get e erything in perspective and your daughter and chikdren wil be proud of you. Caroline xxx

    1. Dear Caroline, I know you have done all this and it’s so good to hear, that you think it will work at all.
      Have a good time. Hugs and xx for you and Dunkan. K

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