ARC tracking

Mit der ARC über den Atlantik – feige oder klug?

Über den Atlantik segeln – alleine oder mit einer Rallye?

1986 organisierte der Blauwasser Guru Jimmy Cornell die erste ARC – die Atlantic Rally for Cruisers. Er traf damit einen Nerv und legte den Grundstein für die größte und bis heute unglaublich erfolgreiche Atlantik Rallye, die in jedem November von Las Palmas (Gran Canaria) die Rodney Bay in St. Lucia ansteuert. Über 200 Schiffe überqueren jährlich mit dieser Rallye den Atlantik.

Jimmy Cornell verkaufte die ARC an den World Cruising Club und organisierte ein paar Jahre die kleineren Odyssee Rallys. Darunter die meiner Meinung nach schönste Rallye mit der „Barbados 50“, die nur einmal 2016 stattfand. Ich hatte die Freude mit zu segeln. Jimmy beendete 2017 seine Karriere als Organisator von Segel Rallys und hinterließ eine Lücke für die Segler, die gerne bei Rallys mitsegeln, aber nicht in einer Mega-Veranstaltung dabei sein wollen.

Neben der ARC gibt es transatlantisch noch die neue und kleinere „Rallye Iles du Soleil“, mit Start auf der schönen Kanareninsel La Palma und dem Ziel in Marie Galante, einer kleinen Insel vor Guadeloupe. Beides sind tolle Destinationen. Aber deutlich anspruchsvoller für Transatlantik Segler, weil beide nicht über die gute  Infrastruktur für Ausstattung und Reparaturen von Yachten verfügen, wie Gran Canaria oder St. Lucia.

Was macht die unglaubliche Attraktivität der ARC aus, der sich jährlich über 200 Schiffe anschließen? Sind die Segler zu feige um alleine über den Atlantik zu gehen?

Reden wir nicht drum herum. Für einen richtigen Segler ist die Atlantik Überquerung das Größte, am besten als Skipper. Vielen fehlt aber der Mut und das ist auch völlig verständlich, denn man begibt sich in Gefahren und muss echte Herausforderungen meistern. Der Atlantik ist nicht die Ostsee und 2-3 Wochen alleine auf diesem riesigen Meer braucht schon „cojones“.  Der spanische Hafen von Almerimar erzählt Geschichten von ehemals Mutigen die los wollten und es nie geschafft haben.

Eine Rallye mit zu segeln, gibt den nötigen Rückenwind um letztlich doch die Leinen los zu machen. Es ist einfach eine gute Idee für Atlantik Rookies, denn man erfährt wertvolle Unterstützung. Wenn man klugerweise zweifelt, helfen Gespräche mit anderen Seglern. Wer z. B. die ARC segelt, hat ein bisschen mehr Sicherheit, als ein Einzelgänger. Alle Segler erhalten Positionstracker, d. h. man kann Position, Kurs und Geschwindigkeit verfolgen. Auch die zu Hause gebliebenen können online mit der App YB Races dabei sein. Das gibt zumindest ein besseres Gefühl. Wenn man 200 nm von den Küsten havariert, kann man nicht mit einer Rettung durch eine Küstenwache rechnen, so weit kommen die nicht raus. Bleiben nur andere Schiffe. Und da hat die ARC natürlich einen enormen Vorteil: es sind noch andere Yachten unterwegs, die durch die Rallyeleitung erreichbar sind und umgeleitet werden können. Ein Superplus für eine Rallye.

Ein weiteres Plus ist das Vorbereitungsprogramm. Die Teilnehmer können in Seminaren Wissen erlangen oder auffrischen und einfach zu besseren Seglern werden. Dabei wird auch auf Aspekte hingewiesen, an die man nicht gedacht hätte, in der schier endlosen Abarbeitung der Checklisten. Ich habe uns beispielsweise in Lanzarote einen Scheuerschutz im Großsegel anbringen lassen, den ich nicht auf der Liste hatte. Sehr beruhigend ist auch, dass jedes Schiff vor dem Start inspiziert wird. Nur tatsächlich seetüchtige Schiffe, dürfen mit der ARC segeln. Man erhält also eine Inspektion von Experten, ein sehr beruhigendes Gefühl für Skipper und Crew.

Mein persönliches Highlight ist das ausgezeichnete ARC Handbuch, das jedes Schiff erhält. Es beantwortet viele Fragen, die man nicht mal gestellt hätte. Das Buch ist ein Schatz an gesammeltem Praxiswissen – das Handbuch alleine wäre schon fast die Teilnahme wert. Kurz: die Vorbereitung liegt auf einem Niveau, die man als normalsegelnder Einzelgänger nicht erreichen kann.

Zu den Pros einer Rallye, zählt auch die Gemeinschaft der Segler. Es gibt ein paar Partys zum kennenlernen, reichlich Austausch und Unterstützung jeder Art. Es sitzen ja alle – zum Glück nicht bildlich – im gleichen Boot und sind auf gleicher Wellenlänge. Man versteht sich und die Sympathie ist schnell geklärt, so oder so. Die Rally Leitung sorgt bei der Abfahrt und der Ankunft für ein standesgemäßes zelebrieren. Inkl. Gelegenheit für Gänsehaut. In unserer Barbados 50 Rallye sind Freundschaften entstanden, die Bestand haben. Einige Schiffe segeln auch zwei Jahre später noch miteinander. Wir als Rückkehrer, treffen segelmäßig andere Crews, die ebenfalls wieder an Land sind. Aus dem Freundeskreis der Rallye gibt’s immer wieder Anfragen zum mitsegeln und auch bei unserem nächsten Atlantic Crossing von Cape Town in die Karibik sind zwei B50 Segler mit dabei.

Die gemeinsam erlebten Abenteuer und gemeisterten Situationen schweißen zusammen. Das Wort Freundschaft hat tatsächlich eine Bedeutung, anders als in unserem Land- oder social Media Alltag. Wenn ein Bekannter, den du erst seit ein paar Wochen kennst, ohne zu zögern, selbstlos mitten auf dem Atlantik von einem Schiff springt um zu dir zu schwimmen weil die ein Problem an Bord hast – dann ist eine wahre Freundschaft entstanden, die den gleichen Begriff des Alltags beschämt.

Das nicht alle der ca. 2.000 jährlichen Atlantik Überquerer mit der ARC segeln, hat natürlich auch Gründe. Zum ersten liegt das an der Strecke Las Palmas-St. Lucia (oder neuerdings auch St. Vincent). Wer einen anderen Weg vor dem Bug hat, fällt raus. Geld ist auch ein Thema. Das die ARC ca. 1.500-2.000 € Teilnahmegebühr kostet, schreckt manche ab, vor allem die Erfahrenen. Und entgegen des üblichen Images sind Segler nicht zwangsläufig reich. Eine beachtliche Anzahl ist mit ganz schmalem Budget unterwegs.

Der dritte Punkt zum fernbleiben ist die Größe der Veranstaltung. Man kann es schon gruselig finden, wenn 200 Schiffe in einem Event versammelt sind. Zumindest in Las Palmas ist die ganze Horde versammelt. In St. Lucia sind die ersten schon längst wieder weg, wenn die nächsten ankommen. Blauwasser Segeln ist eigentlich etwas für Individualisten. Ich finde es leicht widersprüchlich, wenn segeln in Massen organisiert ist. Wenn man aber in Las Palmas den Hafen verlassen hat, ist jedes Schiff wieder alleine und als Mikrokosmos im riesigen Atlantik nur auf sich gestellt. Insofern lässt sich die Massenorganisation der ARC nicht mit einer Pauschalreise oder Kreuzfahrt vergleichen und bekommt mildernde Umstände.

Die Teilnehmer der ARC sind nur teilweise „richtige“ Segler. Für viele Crewmember ist das Crossing das Event und sie fliegen nach verbrachtem Jahresurlaub an Bord anschließend nach Hause. Das war bei der Barbados 50 völlig anders, dort gab es keinen Segeltourismus mit zahlenden Gästen. Die Schiffe waren alle mindestens eine ganze Saison unterwegs, manche open End und auf Weltumsegelung.

Für uns war es perfekt, dass wir unsere Atlantik Jungfernfahrt mit der Barbados 50 gesegelt sind. Als wir die Ausschreibung fanden, mussten wir nicht lange überlegen. Wir würden es jederzeit wieder so entscheiden. Insgesamt 35 Schiffe, 9 Destinationen und eine coole Mischung aus einjährigen Seglern und Liveaboards – das war für uns die perfekte Rallye. Wenn ich heute nochmals von Europa über den Atlantik segeln würde, wäre die „Iles du Soleil“ als kleinere Rallye vermutlich meine erste Wahl.

Für unser nächstes Crossing wird das leider nicht möglich sein. Denn soweit ich weiß, gibt es gibt keine Rallye von Südafrika in die Karibik. Unser zweites Crossing wird mit 5.700 nm doppelt so weit wie das erste. Aber mit unseren Erfahrungen der ersten Überquerung, weiteren Seglern (und Freunden) an Bord und dem tollen ARC Handbuch, wird ist mit großer Wahrscheinlichkeit einfacher und schöner. Ich kann es kaum abwarten bis unser Katamaran fertig ist. /HB

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