Offshore Menorca – Sardinien

Bericht vom Offshore Crossing

Fast immer schreiben wir von Orten oder dem Ankommen. Aber es gibt auch die langen Tage dazwischen und von denen wollen wir heute berichten. Von Menorca nach Sardinien hatten wir ein kleines „Crossing“ vor uns. 200 nm (360 km), zwei Tage und eine Nacht. Irgendwas zwischen 32-36 Stunden nonstop offshore. Offshore Menorca – Sardinien

Unser Segelstil unterscheidet sich deutlich von dem von Jörg Riechers oder Boris Hermann. Auf See bevorzugen wir es „unwild“, also am liebsten flachere See und Winde weit entfernt von Sturm. Und das alles am liebsten warm. Diese Wünsche nehmen der Spontanität buchstäblich den Wind aus den Segeln und es bedarf guter Vorbereitung, damit es eine unspektakuläre Überfahrt wird.

Wetterplanung

Bereits Mitte August, als wir noch in Mallorca segelten, hatten wir uns ein Fenster für das Crossing von Menorca nach Sardinien ausgewählt. Es sollte noch im August sein, am liebsten 27.-29.8. Abreise, mit Ankunft einen Tag später. 10 Tage vorher ist die Vorhersage eher ein Serviervorschlag, mit wenig Kalorien. 5 Tage im Voraus, wird die Ansage seriöser. Wir nutzen PredictWind mit 6 Wettermodellen und Windy, das 10 Modelle anbietet. Eines davon stimmt im Nachhinein immer. Nur weiß man nie im Voraus welches. Perfekt für den monday morning Quarterback. Offshore Menorca – Sardinien

Wie so oft, gab Frankreich die Richtung an. Aus dem Rhone Tal war für den 28.8. und 2-3 Folgetagen dicke Luft angesagt, die dann wie durch die Düse über den Golfe de Lion ins Mittelmeer gepresst wird. Für unseren Wunschtermin hatten wir eine Vorhersage von 55 kn Wind und 5 m Welle. Ziemlich genau das, was wir vermeiden wollten. Für den 24. und 25.8. sah wie Welt noch friedlich aus. Welle bis 50 cm, aber dafür kein Wind, 5-10 kn. Beide sieht man auf den Charts.

Vorhersage für 25. August, Vorhersage für 28. August (41 kn am grünen Punkt, 55 kn im Schwarzen)

Uns genügte ein kurzer Blickkontakt, unsere Tage in Menorca waren gezählt und wir zogen die Abfahrt vor. Das Wetter würde auch die Balearen treffen und dort lagen wir nicht gut geschützt. (Tatsächlich traf es die Balearen knüppelhart). Da wir noch nie in Sardinen gesegelt sind und keine gut geschützten Ankerbuchten kennen, buchten wir uns einen Platz in einer Marina an Sardiniens Süd-West Küste. Molto bene diese Entscheidung, wie sich später herausstellte.

Nun hält sich Wetter leidlich gerne an die Vorhersage und deshalb kommt es vor, dass es einen Tag früher oder später aufzieht. Deshalb wollten wir einen Tag Puffer und am 26.8. bereits in Sardinen ankommen. Das ergab eine Abfahrt 25.8. beim ersten Tageslicht. Offshore Menorca – Sardinien

Vorbereitung

Nachdem wir den Ablege-Tag festgelegt hatten, bereiteten wir uns vor. Ka kümmerte sich um den Proviant, der ihr wesentlich schmackhafter gelingt als mir. Offshore und overnight mögen wir es nur nach Nahrung zu greifen und nichts zuzubereiten. Diesmal wurde es ein sensationeller Gefügelsalat und eine köstliche Pasta. Dazu noch ein paar Happen, die wir in einer Bäckerei besorgt hatten. Mein Job ist das Schiff klarzumachen und alles Notwenige zu checken, was unerfreuliche Probleme machen könnte: Motoren, Rigg und Segel, Bilgen, Tanks und die ganze Liste. Offshore Menorca – Sardinien

Am Vorabend verstauten wir alles, was im Seegang fliegen oder runterfallen kann. Das komfortable Day-Bed im Salon wurde für die Offwatch vorbereitet. Einer vor uns ist immer am Steuer (watch), die/der andere hat Pause (offwatch) und kann schlafen oder was weiß ich machen. Offwatch kann relaxen, ist aber in Rufweite, sollte es notwendig sein.

Morgens, gleich nach dem Wecker, prüften wir ein letztes Mal, ob die Wettervorhersage immer noch passte. Eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang dämmert es und wir machten unsere 6 Festmacherleinen los. Langsam trieben wir weg vom Nachbarschiff und dem Steg und wir gaben langsam Schub durch die glatte See. Vorbei an der Korsika Fähre, die gerade durch den Kanal von Maó einlief, erreichten wir das offene Meer. Pünktlich zum Sonnenaufgang.

Ruhige Fahrt

Das Wetter war genau wie vorhergesagt, unglaublich. 30 cm Welle, 1-5 kn (kein) Wind, genau auf den Bug. Wir setzten Kurs Sardinien und begannen mit unserem Wach-Rhythmus. 2 Stunden am Tag, 3 Stunden in der Nacht im Wechsel. Ka hatte die erste Schicht und ich warf unsere beiden Angeln aus. (Seit 650 nm haben wir im Mittelmeer keinen einzigen Fisch gefangen und es blieb auch dabei.)

Menorca verschwand langsam im Dunst und wir hielten Ausschau nach Stellnetzen und alten Leinen, die sich in unseren Schrauben verfangen könnten. Die Rivercafe lief 6-6.5 kn auf direktem Kurs 103 Grad. Nach 25 Meilen entschwand Menorca und wir sahen in allen Richtungen nur noch Wasser. Erfreulich flaches Wasser.

 

Sonnenaufgang und ruhige See

Das beste Crossing ist ein ereignisloses, denn dann machen Natur und Schiff keine Probleme. So bleibt viel Zeit um aufs Meer zu starren und nachzudenken. Das ist kontemplativ, erholsam für die Seele und fördert die Kreativität. Alle paar Minuten ein Blick vom Steuer rundherum, es war sehr relaxt.

Nichts ist schöner als ein Besuch von Delfinen

Unterwegs auf dem Meer, ist das Funkgerät auf Kanal 16 immer an. Normalerweise hat ein VHF-Funk eine Reichweite von 60 nm. Nicht so an diesem Tag. Wir hatten das „Vergnügen“, den Funkverkehr über 200 nm von der französischen Küste zu hören, plus Spanien und Italien. Das war ein Gelaber. Als es in die Nacht ging, hatten wohl einige Funker auf den Cargo Schiffen Clown zum Abendessen und begannen mit spooky Sounds und wirren Funksprüchen.

Nachtfahrt

Ihr kennt sicher die „blue hour“. Auf dem Meer ist das die Zeit, wenn die Sonne untergeht, es kühl wird, der Dunst aufzieht und man weit und breit mutterseelenalleine ist. Dann zieht diese melancholische Stimmung auf und es fühlt sich an, als sei man allein auf der Welt. Dann fehlt der „Sundowner“, denn wir trinken keinen Alkohol beim Segeln. Nach einer Stunde ist alles vorbei und die Nacht nimmt die Wasserwelt in Besitz.

Wir schalteten die Navigationslichter der Nacht an und nach einem gemeinsamen Abendessen trennten sich unsere Wege im 3 Stunden Schichtwechsel. Eine/r schläft, der/die andere wacht.

Die Nacht auf dem Meer ist sehr selten richtig dunkel. Wir hatten Halbmond und es war eine Nacht mit silbrigen Licht. Eine Welt ohne Farben, in der Schemen alles sind, was man sieht. Die Sterne zeigten ihre voll Pracht, weil es weit und breit kein störendes Licht und keine Wolken gab. In der National Geografic laß ich mal, dass man ca. 5.000 Sterne am Nachthimmel sehen kann. In dieser Nacht waren alle da.

Into the dark

Wenn man in die Dunkelheit hineinfährt, sieht man nichts, was vor dem Schiff liegt. Es bleiben nur die Monitore mit Karten, Windanzeige, AIS und Radar zu beobachten. Ansonsten ist man blind. Das ist gewöhnungsbedürftig. Man kann nur hoffen, nicht in ein treibendes Netz zu fahren oder mit sonst was zu kollidieren.

Es ist aber dennoch nicht langweilig. Zum Beispiel überholte uns ein Cargo Schiff, dass knapp vor der italienischen Grenze komplett stoppte und wir wieder vorbeizogen. Ein guter Stoff für einen Krimi, beflügelt von der Nacht.

Immer wieder fahren kommerzielle Schiffe an uns vorbei und ab zu funkt man miteinander, um die Kurse abzustimmen. Das geht alles freundlich und entspannt. Es ist auch für die Nachtwache auf den großen Schiffen eine nette Abwechselung. Gegen 3.30 h sah ich Lichter in geringer Entfernung uns entgegenkommen. Ein Schiff ohne AIS (Automatic Identification System). Es war gerade noch winzig auf dem Radar zu sehen. In Wurfweite passierten wir uns ohne weiteren Austausch, jeder zog seiner Wege. Viel Raum für Fantasie.

Zum Sonnenaufgang waren wir wieder beide munter und genossen einen gemeinsamen Tee in der wärmenden Sonne. Das Meer blieb flach, war aber nun wieder sonnig beleuchtet. 25 nm vor Italien sahen wir zum ersten Mal Land.

Sardinien voraus

Rechtzeitig vor dem angesagten Sturm liefen wir in der kleinen Hafen von Calasetta und warteten der Dinge, die angekündigt waren. / Holger Binz

1 Kommentar zu „Offshore Menorca – Sardinien“

  1. Danke für den schönen Bericht. Es war ja gottseidank bzw. guter Vorhersage-Medien eine sehr entspannte Überfahrt. Nun seid Ihr auf meiner Lieblingsinsel. Oder schon weiter?
    Alles Gute
    Jürgen

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