Flaute, Sturm und böse Überraschungen

Atlantik Crossing der Rivercafe

Es war der 25.5.23, als Ka und ich in Fort Lauderdale die Leinen der Rivercafe lösten und an Bord warfen. Ungewohnt, denn normalerweise sind wir an Deck, wenn wir lossegeln. Diesmal standen wir am Steg und sahen unsere delivery Crew mit der Rivercafe durch die Hebebrücke entschwinden.

Dave, Clyde, Rita und Matt sind alles erfahrene Segler und wir übergaben ein perfektes Schiff, das gerade die Werft nach einer Wartungs- und Pflegepause verlassen hatte. 30 Tage waren bis Alicante im Spaniens Südosten geplant. Über unser Starlink sollten wir ausreichend kommunizieren können. Leider hatte Starlink unser Abo in Fort Lauderdale angemahnt und wir mussten auf ein Offshore Package umsteigen. Das wurde deutlich teurer und auf 50 GB begrenzt. Eigentlich kein Problem, aber die vier an Bord hatten die automatische Aktualisierung ihrer Geräte nicht deaktiviert und so flossen gleich reichlich GB in die updates von Handys und Tablets. Atlantik Crossing der Rivercafe

Florida – Bermudas – Azoren

Auf diesem Transfer kam vieles anders als geplant. Die ersten 900 nm waren flautig. Wenig Segel, viel Motor und 2 kn/h unter dem geplanten Speed. Die Crew musste zum Nachtanken ungeplant die Bermudas anlaufen. Auf den nächsten 1.900 nm zu den Azoren wurde es wilder. Dave schrieb von 5 m Welle mit kurzer Frequenz und 35 kn Wind. Kein Spaß. Der Nordatlantik ließ eindrucksvoll wissen, dass er kein Spielplatz ist. Atlantik Crossing der Rivercafe

Auf der Strecke ging es dann los mit den Schäden. Zuerst wurde unser Großsegel beschädigt, genauer die Mastrutscher am Karver Hook des Square Top Segels brachen. Das Großsegel konnte nicht mehr gesetzt werden. Und dann ging ein Bergemanöver des Code D schief. Das Segel tauchte ins Wasser und der Bugspriet brach. Ohne Bugspriet kein Code D Segeln mehr. Damit waren zwei Segel außer Betrieb. Es blieben die Genua und der Spi, der aber nur bei moderatem Downwind segelbar ist. Der Generator bekam eine Salzwasserspülung, als sich der Bugdeckel ungeplant öffnete und verabschiedete sich ebenso, wie die Ankersteuerung.

Horta auf den Azoren

Informiert über die wesentlichen Schäden, versuchte ich die passenden Ersatzteile zu organisieren. Der Hersteller der Mastrutscher Antal, hatte 12-16 Wochen Lieferzeit – das wäre das Ende unserer Segelsaison gewesen. Nach einigen Tagen und mit Hilfe von Freunden und Kontakten in St. Lucia und den USA, konnte ich Ersatz auftreiben und nach Europa schicken lassen.

Wegen der fehlenden Ersatzteile war eine Reparatur auf den Azoren nicht möglich. Außerdem war der Hafen überfüllt mit Schiffen auf dem Weg nach Europa, die Schäden beseitigen mussten, um überhaupt weiterzukommen. Lediglich die durchgescheuerte Dirk, die Leine zum Ende des Baums, konnte ausgetauscht werden. Als die MwSt. Angelegenheit auf den Azoren geklärt war (letzter Artikel), legten die vier schnell wieder ab für die letzten 1.200 nm. Atlantik Crossing der Rivercafe

Auf der Strecke Richtung Gibraltar killte dann die Lichtmaschine des Backbordmotors. Mittlerweile die zweite in drei Jahren. Die Ersatzlichtmaschine an Bord wollte die Crew nicht installieren. Trotz fehlendem Generator und einer Lichtmaschine gab es immer noch ausreichend Energie an Bord, dank unserer reichlichen Solarpanel.

Trip durch das Orca Revier

Knapp 1.000 nm nach den Azoren, steuerte Dave dann erneut ungeplant Portimao in Portugal an. Rita musste zurück zu ihrem Skipperjob nach Griechenland und Matt drängte eine Familiensache heim nach England. Statt Alicante wurde Cartagena das neue Ziel.

Dave und Clyde starten von Portimao zu ihrem Weg ins Mittelmeer, genau durch den Orca Hotspot. Drei Yachten sind in dieser Saison nach Orca Angriffen gesunken und viele Schiffen wurden beschädigt. Wir sahen einige mit üblen Spuren. Die Region ist gerade sowas wie die Albtraumstrecke für Segler. Die Website orcas.pt dokumentiert, wie viele Angriffe allein im Juni 23 erfolgten. Es sind erschreckend viele. Atlantik Crossing der Rivercafe

www.orcas.pt

Auf dem Weg nach Gibraltar wurde die Rivercafe von der Flotte des Oceanrace überholt. IMOCA und VOR65 Regattaschiffe lagen auf dem gleichen Kurs Gibraltar. Zu unserem Glück, denn der Besuch bei der Rivercafe wurde uninteressant. Die Ruder der VOR-Yachten sind größer und bunter als die unseren. Fast immer geht’s zuerst an die Ruder. Rammversuche gibt’s allerdings auch. Irgendwas muss den Walen ganz schön auf den Keks gegangen sein, denn bisher gibt’s nur Spekulationen für das aggressive Verhalten.

Wetter in Gibraltar als die Rivercafe ins Mittelmeer einläuft

Als Dave und Clyde auf Gibraltar zusteuerten, wurde das Wetter richtig übel. 40 kn auf die Nase und Dave berichtete von Wellen, „I have never seen before“. Ka und ich verfolgen über den AIS Tracker Meile um Meile auf dem Weg ins Mittelmeer. Die nächsten Tagen sollten noch übler werden, also mussten die zwei da durch. Nach genau einem Monat und 4.200 nm auf See, liefen Dave und Clive dann am frühen Sonntagmorgen den Yachthafen von Cartagena an und machten die Rivercafe fest.

Wiederherrichtung

Die zwei waren schon auf dem Heimweg, als unser Flugzeug landete und wir abends an Bord gingen. Es war tragisch, auf unser waidwundes Schiff zu kommen. Die Rivercafe war in einem bedürftigen Zustand. Wir fanden Salz an Stellen, an denen sicher noch nie Seewasser war. Nach unzähligen washdowns, schrubben und reinigen, dauerte es drei Tage, bis die Rivercafe wieder unseren Vorstellungen entsprach. Parallel mussten 6 teure Hauptprobleme und 8 kleinere Dinge repariert werden. Allein die Ersatzteile, brachte die Kreditkarte zum Glühen. Der Transfer wurde wegen der vielen Schäden wesentlich teurer, als wir befürchtet hatten.

Zum Glück waren die von der anderen Seite des Atlantiks organisierten Ersatzteile alle angekommen und wir fanden kompetente Techniker. Vor allem Fernando von Mistral Riggers löste unsere Segelprobleme. Eine dicke Empfehlung für alle, die in Südspanien Riggingprobleme haben.

Nach drei Tagen schuften hatten wir die die Gewissheit, dass unsere Segelsaison gerettet ist. Nun wurde es besser und Ka und ich hatten Zeit, die Innenstadt von Cartagena zu besuchen.

Wundersame Wiedersehen

Kaum hatten wir die Schrubber weggestellt, nahmen die Wunderlichkeiten ihren Lauf.

Während des Tages schaute Ka Fotos unseres letzten Cartagena Besuchs vor 7 Jahren durch. Abends auf dem Weg in die Stadt überraschte es mich, als Ka einfach einen älteren Herrn (Typ Don Corleone) ansprach. Sie erzählte dem erfreuten Mann, wir hätten vor 7 Jahren in seinem Restaurant gegessen und sie hätte ein schönes Foto von ihm. Genau dieses Foto hatte sie während des Tages gesehen. Witzig so ein Gesichtsgedächtnisses zu haben. Jedenfalls aßen wir auch an diesem Abend im Columbo.

Glückliche Weltumsegler Nina und Eirik mit uns

Die nächste Wunderlichkeit war unser Wiedersehen mit unseren norwegischen Segelfreunden Nina und Eirik mit ihrer Emelin. Die beiden sahen wir zuletzt vor zwei Jahren in Grenada. Die Emelin bog nach links durch den Panama Kanal ab, wir nach rechts über den Atlantik. Und hier in Cartagena treffen wir die beiden wieder, nach einer erfolgreichen Weltumsegelung. Auf ihrem Weg nach Norwegen. Ein guter Anlass das Wiedersehen und das Leben zu feiern.

Sonntags brachen wir dann auf, um Spaniens Süden zu umrunden, auf dem Weg zu unserer alten Liebe Valencia. Unglaublich, dass wir nach 5 Jahren mit einem anderen Schiff wieder kommen werden. Aber es vieles so unglaublich. /Holger Binz

 

P.S. technischer Nachtrag für die Abonnenten

Seit einiger Zeit kommen die Benachrichtigungen zu neuen Posts bei manchen Gmail Usern nicht mehr an. Wir erhalten dann die Nachricht der Unzustellbarkeit. Das Problem gibt es ausschließlich bei Gmail. Sorry, aber wir haben darauf keinen Einfluß.

 

2 Kommentare zu „Flaute, Sturm und böse Überraschungen“

  1. Der Bericht liest sich wie ein Krimi. Immerhin mit gutem Ende. Ich bin sehr froh, dass Ihr zwei diese Überquerung nicht selbst unternommen habt. Die Schäden an der Rivercafe lassen sich reparieren, aber es hätte alles noch schlimmer ausgehen können.
    Willkommen in Europa! Ich wünsche Euch eine angenehme Segeltour um Spaniens Mittelmeerküste.
    LG
    Jürgen

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