Seltsames ist uns widerfahren
Unsere Reise geht weiter. Von St. Barth wollten wir nach St. Kitts & Nevis (55nm), nach Montserrat (35 nm) und letztlich nach Guadeloupe (55nnm). Jeweils mit Tagestripps. Es galt also die Einreisebestimmungen von drei Ländern zu prüfen und uns darauf vorzubereiten. Zu den normalen Einreisbestimmungen, kommen immer noch lästige – mehr oder viel weniger sonnvolle – C19 Anforderungen hinzu.
Wir sind große Fans der Inseln von St. Kitts & Nevis (SKN), vor allem von Nevis. So freuten wir uns auf den Tripp und ein paar Tage dort. In der Seglerwelt hat die Doppelinsel einen miserablen Ruf als extrem Segler-Unfreundlich. Konnte wir nicht glauben – sollte sich aber leider bewahrheiten.
St. Kitts & Nevis – bitte draußen bleiben
Vor der Abreise ging ich also pflichtbewusst die geforderte Online-Anmeldung von SKN an (KNAtravelform.kn). Funktionierte nicht, ein Eingabefeld zum letzten Land blockierte den gesamten Prozess. In drei verschiedenen Browsern. Nun kommt es vor, dass manche Systeme MAC nicht mögen. Also ging ich zu unserem Kumpel Paul (den Namen habe ich geändert, später mehr), der auch Windows Rechner hat. Als wir an seinem Rechner ebenfalls scheiterten, sah ich das breiteste Grinsen in seinem Gesicht. Paul hat nämlich eine IT Firma, die Immigration Systeme entwickelt.
SKN machte er ein Angebot und es sah gut aus. Dann bat ihn die verantwortliche Ministerin, doch noch ein Milliönchen draufzuschlagen, für gute Zwecke, also für sie. Das mochte Paul nicht und der Auftrag ging an eine kanadische Firma. Die gierige Dame soll gerade im Knast weilen. Das System der Kanadier ist Schrott, was Pauls gute Laune erklärte. Wenn man eine falsche Angabe zum letzten Land macht, funktionierts. Das ist aber eine Immigration Violation. Ausgerechnet die Nachbarländer St. Martin und St. Barth können nicht ausgewählt werden. Meine Mails an SKN Customs wurden natürlich nicht beantwortet.
Ok, vielleicht geht’s auch ohne Online-Anmeldung. Erst mal zu den C19 Bestimmungen, auch da hat SKN Vorstellungen, wie zu Beginn der Pandemie. Wir hätten einen Antigen Test in St. Barth gebraucht, der nicht älter als 24 Stunden sein darf, aber mindestens 24 Stunden vor der Einreise, über die nicht funktionierende Online-Anmeldung geschickt werden muss. Das bedarf eines Dr. Who. Nach der Anreise hätten wir einen PCR Test für 150 USD p. P. gebraucht. Und zur Abreise noch einen, der für Guadeloupe für Einreisende aus SKN nötig wäre. Zusammen 900 USD für ein paar illegale Tage in Nevis (weil wir die Einreiseangaben hätten fälschen müssen).
Wir segelten dennoch am Montag die 55 nm nach Nevis und legten uns eine Nacht an den fantastisch schönen Strand zwischen Charlestown und dem Four Season Hotel. Mit gelber Flagge. Ankern ist in Nevis verboten und es gibt dort nur 10 funktionierende Mooringbälle – für alle besuchende Schiffe!!! Und einige davon werden von Locals genutzt. Man könnte auch gleich ein Schild aufstellen: „Besucher müssen draußen bleiben“. Aber es kommen eh keine Segler, wegen der bekloppten Anforderungen und mangelhaften Prozesse. Das Four Season Hotel schien auch ziemlich leer. SKN tut tatsächlich alles, um Besucher fernzuhalten. Prima Leute, euer raffinierter Plan geht auf. Es muss ein perfider Plan sein, denn so unfähig kann man gar nicht sein.
Es tat uns beiden extrem leid, dass wir nicht zumindest in Nevis an Land durften. Die Insel ist etwas ganz Besonderes und die alten Estates „Golden Rock“ oder „Lady Nisbets“ sind Plätze mit einzigartigem Charme. Die Natur ist saftig grün und sogar die Hauptstadt Charlestown ist nett. Es ist eine besondere Atmosphäre.
Die Metallwand von Montserrat
Am nächsten Morgen segelten wir bei Sonnenaufgang weiter nach Montserrat. Das ist die wohl untouristischste Insel der Karibik. Fast keine Hotels aber dafür mit aktivem Vulkan. Auch hier war uns das C19 Protokoll zu blöd für einen Landgang und auch die Ankerplätze haben begrenzten Charme. Über die Hälfte der Insel ist Sperrgebiet, wegen des aktiven Vulkans. Im Norden darf man ankern, in der Little Bay. Die besteht zur Hälfte aus Mooringbällen für Fischerboote und die andere Hälfte ist eine betonnte Einfahrt zu einem zwergengroßen Pier, an dem wir uns beim besten Willen kein Schiff festgemacht vorstellen konnten.
Es bleibt sehr wenig Ankerplatz. Neben uns ankerte ein weiterer Besucher so ungünstig, dass quasi die ganze Bucht belegt war. Wir warfen unseren Anker im Fahrwasser und nach mehreren Funk-Gesprächen mit der Port Control, gabs auch keine Einwände.
Wir gingen schlafen. Um 01.00 riss uns der Lärm einer mächtigen Ankerkette aus dem Schlaf. Keine Schiffslänge von uns entfernt, hatte ein großes Transportschiff an dem Pseudo Pier festgemacht. Wir Trottel lagen im Fahrwasser aber der Steuermann musste brillant sein. Rückwärts, an seiner Ankerkette, steuerte er sein Schiff an der Rivercafe vorbei, als ob wir gar nicht da wären. Ohne Horn und ohne Gedöns. Als wir aus dem Bett sprangen und einfach nur eine riesige Metallwand vor uns sahen, fehlten uns die Worte. Erst später bemerkten wir den Schiffsnamen: Midnight Dream – was für eine Ironie.
Ab 1.01 h standen wir natürlich senkrecht an Deck und inhalierten die Schwerölabgase. Wir funkten die coolen Burschen an und sie meinten nur relaxt, dass sie in 1.5 bis 2 Stunden wieder ablegen würden. Wir versprachen die Rivercafe dann wegzudrehen. Schien ihnen egal zu sein. Ein kleiner Schub deren Bugschraube hätte uns vermutlich sowieso vertrieben. Nach einer Stunde befreiten sie uns von unseren Atembeschwerden und ohne Info an uns, legten sie wieder ab. Ein Elefant sagt wohl auch einem Floh nicht, wenn er losläuft. Keine Wette, dass wir reichlich aufgeregter waren als die Jungs auf der „Midnight Dream“. Unsere Nacht-Schock-Lehre: im Fahrwasser ankern ist wirklich nicht gut. Auch wenn es der Port Authority wurscht ist. So cool sind wir dann doch lange noch nicht.
Unausgeschlafen machten wir uns am nächsten Morgen um 6.00 h auf die letzte Etappe, 55 nm nach Guadeloupe.
Die Midnight Dream an unserem Heck
Salziges Segeln
Noch ein paar Worte zum Segeln. Der Wetterbericht versprach ab St. Barth Wind aus 105-115 Grad, maximal 20 kn in Böen. Auf der Strecke von SBH nach Nevis stimmte die Windstärke fast, aber der Winkel war 130+ Grad. Deshalb änderten wir den Kurs und segelten über den Norden nach St. Kitts statt in die Kitts-Nevis Passage. Es war ein angenehmer Segel Tag.
Der folgende Tag nach Montserrat war einfach nur Grütze. Statt 1.2. Welle waren es 2.5+ mit sehr kurzer Frequenz, Wind 140 Grad voll gegenan. Die Rivercafe war durch den Seegang bis über unseren Steuerstand in 4 m Höhe komplett mit Salz verkrustet.
Salziges Segeln, Felder von Sargassum Grass
Von Montserrat nach Guadeloupe erging es uns ebenso. Die angesagten max. 20 Kn wurden zu 30, die Wellenhöhe war doppelt so hoch. Es war einfach nur blöd. Statt sinnlose Wetterberichte zu studieren, könnten wir vermutlich auch Kaffeesatz oder den Zug der Möven auslesen.
Bei unserer Ankunft in Deshaies, einer angeblich geschützten Bucht in Guadeloupe, hatten wir beim Ankerversuch 32 Kn Wind auf der Nase. Es war eh zu voll und dann legten wir noch 8 nm in südlicher Richtung drauf und gingen beim restlichen Tageslicht in Malendure vor Anker. Eine nette Überfahrt ist ganz sicher anders. Das war einer der Abende, an denen man sich fragt, warum man sich diesen Mist antut.
Wir ankern nun im Jacques Cousteau nature reserve und werden die Salzkruste von der Rivercafe waschen. Und vielleicht finden wir dann eine Antwort auf die Frage, warum wir uns den Mist antut. Es hilft dabei sicher, dass wir gerade wunderbar ankern, umgeben von reichlich Seesternen und viel Meeresfauna. Irgendwas hilft immer. / Holger Binz