Segeln in Italien – enttäuschendes Kalabrien

Kalabrien – schlechtes Wetter, lange Segeltage

First things first: herzlichen Dank für die vielen Geburtstagsgrüße, es war mir eine Freude. Ebenso wie die köstliche Pistazientorte, den Ka zauberte. Den auch in diesem Jahr unvermeidlichen Tag, verbrachten wir in Roccella Ionica. Klingt fast so verheißungsvoll wie St. Tropez, ist es aber nicht. Aber lasst mich mit dem Weg beginnen.

Geburtstag

Skylla und Charybdis

Wir verließen die Äolischen Inseln und Sizilien mit dem Ziel Scilla. Dort wollten wir eine Nacht verbringen, das Örtchen auf dem kalabrischen Festland anschauen und das richtige Fenster für die Straße von Messina abwarten. In Homers Odysseus Legende quert der Held die Meerenge zwischen Scylla und Charybdis, einem Ungeheuer und einem verschlingenden Strudel. Daher stammt heute noch das englische Idiom, wenn man zwischen zwei Übeln steckt. Zur falschen Zeit kommt der Strom mit bis zu 5 kn entgegen und wenn dann auch der Wind entgegensteht, wird es eng mit dem Vorankommen. Der weise Segler plant also (wie immer) vor.

Unsere Freunde Sandra und Tom empfahlen uns eine App, die alle Strömungen und Zeiten exakt ansagte, wesentlich präziser als Navionics & Co. Damit hatten wir perfekte Informationen für die Planung.

Route durch die Straße von Messina

Straße von Messina

Nach fast 40 nm von Lipari kommend, trafen wir gegen 13.30 h an der Einfahrt ein. Der Wind war mit 14 kn ok und die Strömung zog mit 3 kn in die richtige Richtung (southbound). Am folgenden Tag hätten wir erst um 13.00 h losmachen können und uns dann mit 28 kn Wind gegenan vergnügen können. Ausgezeichnete Gründe den Plan spontan zu ändern und Scilla zu streichen. Wir setzten unseren Pflichtfunkspruch zu Messina Control ab und bogen ab in die Strait of Messina.

Tatsächlich fuhren wir durch wildes Wasser und einige Strudel, allerdings mit 8 kn unbehelligt in die richtige Richtung. Nur ein bisschen Slalom zwischen Frachtern, Yachten und den unzähligen Fähren, die das kalabrische Festland mit Sizilien verbinden. Dass es keine Brücke zwischen Italien und Sizilien gibt, ist ein echter Schenkelklopfer.

Schlecht sichtbar, aber den Strudel im Wasser kann man erahnen, Einfahrt in die Strait von Norden

Anspruchsvoll ist die Straße von Messina auf eine Strecke von ca. 5-6 Meilen. Auf der Höhe der Stadt Messina wird es dann breiter und die Strömung lässt nach. Wir hatten einen sehr grauen Tag erwischt und konnten nicht viel von den Bergen auf beiden Seiten sehen. Am südlichen Ende der Straße wollten wir nach 55 nm Tagewerk die Nacht verbringen. Ankern ist sehr schwierig, denn die Messina Strait ist sehr tief und fällt am Ufer schnell über 100 m ab. Im Wissen um die schwierigen Bedingungen und den nicht vorhandenen Schutz vor Wind und Wellen, hatten wir am südlichen Ende in Cannale am Dörfchen Bolaro, eine Boje reserviert. Sie war auf 57 m Tiefe befestigt.

Den Etna auf der sizilischen Seite konnten wir wegen des schlechten Wetters nicht sehen. Aber wir wurden ungewöhnlicher unterhalten. Bereits beim Festmachen an der Boje rochen wir einen seltsam rauchig-süßlichen Duft. Ein Waldbrand. Und um das zu bestätigen, zog ein Löschflugzeug gleich neben uns ins Wasser und füllte seine Tanks. Ca. 10-mal wiederholte sich die Befüllung, bis die Nacht dem ein Ende setzte. Es war der erste von vielen Bränden, auf unserem Weg um Kalabrien.

Löschflugzeug bei der Arbeit

Nach dem langen und ermüdenden Tag sah uns Bolaro nicht einladend genug für einen Landbesuch aus.

Gespenstisches Segeln

Wir setzen unseren Weg um den Stiefel fort und hatten den Plan, hinter dem Cap Spartivento bei Africo Nuovo zu ankern. Es gab einige verheißungsvolle Ankerplätze und der Wind war auch moderat angesagt.

Nun, gar nichts stimmte. Der Wind war absurd und das Meer ebenso. Wir fühlten uns wie in einem Science-Fiction mit dystopischer Weltuntergangsstimmung. Innerhalb von Sekunden schwankte ein warmer Wind mit 25 kn aus Süden auf ein kaltes Lüftchen mit 5 kn aus Norden. Nur um nach Minuten wieder aus Süden zu koffern. Das Meer war riffelig und weder Strömung noch Welle blieben über mehrere Minuten konstant. Es hätte uns nicht gewundert, wenn noch ein Riesenkrake aufgetaucht wäre. Das war einfach spooky. Später trafen wir Segler, denen es an unterschiedlichen Tagen ebenso erging.

An der gesamten Küste sahen wir kein einziges Schiff ankern. Diese kalabrische Küste ist einfach kein gutes Segelrevier – zumindest in dieser Jahreszeit. Die Segler, die hier durchmüssen, machen das in langen Schlägen – einfach nur durch.

Kleiner Lichtblick Roccella Ionica

Ohne sicheren Ankerplatz griff Plan B – oder C. Wir kontaktierten die einzige Marina weit und breit, Roccella Ionica, 20 nm entfernt. Wir waren schon mit Speed auf Kurs, um noch im Tageslicht anzukommen und dann gabs grünes Licht für einen freien Platz. Die superfreundliche Crew nahm uns in Empfang und versorgte uns bestens. Alessandra empfahl uns das Restaurant Casaina 1899 für meinen Geburtstag. Es wurde es ein toller Abend. Wir waren sehr dankbar, dass wir das gruselige Wetter in der Marina von Roccella abwarten konnten.

Das Dorf Roccella ist 3 km entfernt von der Marina. Wir stiegen auf unsere Fahrräder und fanden ein Dorf ursprünglichsten Italiens, das so gar nichts mit dem verbreiteten Italien Bild oder dolce vita zu tun hat. Hierhin verirren sich sicher keine Touristen. Alles ist sehr einfach, aber unglaublich freundlich. Meinen Platten am Fahrrad reparierte der Tankwart für 10 € incl. Schlauch. Hier fühlt sich alles an, wie aus der Zeit gefallen. Sehr empfehlenswert ist eine Übersetzungs-App, denn im Dorf sprach niemand etwas anderes als Italienisch.

Deprimierendes Immigrantenschicksal

Seitlich in der Marina entdeckten wir 14 verrottende Schiffe aufs Gröbste festgemacht, 12 Segelschiffe und 2 Frachter. Beschlagnahmte ehemalige Schleuserschiffe. Die Habseligkeiten der Flüchtlinge liegen noch an Deck und es stinkt übel. Gleich neben der Marina liegt ein kleines Flüchtlingslager, bewacht von Polizisten.

Verrottende Schmugglerschiffe

In Roccella kann man erleben, wie dramatisch Welten aufeinandertreffen. Die Fischer beschweren sich, dass die Flüchtlingsschiffe Berge von Müll im Meer hinterlassen – und Fischer sind selbst keine Heiligen. Tatsächlich ist das Meer sehr vermüllt. Ebenso wie das Flüchtlingscamp. Die Hoffnungen und Erwartungen der Geflüchteten treffen auf die Panik und Überforderung der Europäer und das sorgt dann für eine faschistische Regierung. Wir sprachen mit Tunesiern, die sich sehr schlecht behandelt fühlen, aber von einer Zukunft in Europa träumen. Vermutlich chancenlos. Eine dramatische loose-loose-situation ohne Aussicht auf Lösung. Eine weitere Erfahrung unserer Reise.

Schnelle Weiterreise

In Ermangelung interessanter Ziele in Kalabrien, beschlossen wir unsere Distanzen zu erhöhen und Gas zu geben. Immer wenn das Wetter es zulässt. Am Montag nutzten wir ein kleines Wetterfenster und liefen wir früh aus, um 65 nm hinter uns zu bringen, entlang der Stiefelsohle. Kaum hatten wir die Leinen an Bord, schlug bei Ka einen Hexenschuß ein. Mit heftigen Schmerzen im Rücken war dann der starkte Seegang genau das, was sie nicht gebrauchen konnte. Sie quälte sich durch den langen Tag.

Crotone war unser letztes Ziel, auf der Ostseite Kalabriens. Auf dem Weg hatte ich den Hafenmeister Joseph gebeten, einen Arzt zu organisieren. Kurz nachdem wir fest waren, kam Dottore an Bord und injizierte Ka Medizin aus unserer eigenen Bord Apotheke.

Mit Blick auf die Wettervorhersage, waren wir extrem dankbar im Yachting Kroton Club einen sicheren Liegeplatz zu bekommen. In der Nacht wurde es stürmisch mit Gewittern und viel Regen. Die nächste Nacht brachte heftigste Gewitter, nahe Blitzeinschläge und infernalischen Sturm. Was waren wir dankbar, im Schutz der Hafenmauern zu liegen.

Sturm in Kalabrien, Strand von Crotone, Coastline (mal ohne Feuer)

Die Stadt Crotone ist ganz nett. Kein Ziel für eine Urlaubsreise, aber auch kein Ort, aus dem eilig flüchten will. Entlang eines schönen, aber vermüllten Strandes, führt eine nette Uferstraße mit zahlreichen Restaurants und Bars. Es gibt ein paar Geschäfte und man kann sich gut versorgen. Bisher ist es der angenehmste kalabrische Ort, indem wir fest hingen.

Enttäuschendes Kalabrien

Und damit verlassen wir Kalabrien. Unser beschränkter Eindruck von ein paar Küstenorten erlaubt natürlich keine Meinung zu Kalabrien. Für uns beide war es in drei Jahren das unangenehmste Revier. Das Wetter war unberechenbar, die wenigen Ankerplätze schwierig bis unbrauchbar. Vielleicht lag das an der Jahreszeit. Viel zu viele Tage hingen wir wegen stürmischem Wetter in Marinas fest. Aber auch die Orte fanden wir uninteressant. Aber wir trafen viele sehr freundliche Menschen, die wenigsten sprachen etwas anderes als Italienisch.

Apulien ist unser nächstes Ziel. Ein sehr langer Segeltag bringt und über 70 nm auf die andere Seite des Stiefels. Mal schauen, wie es sich die Ferse anfühlt. /Holger Binz

2 Kommentare zu „Segeln in Italien – enttäuschendes Kalabrien“

  1. Leider kann ich den Ausführungen von Holger zu Kalabrien nur zustimmen; es gibt auch aus meiner Sicht schönere Segelreviere….
    Wahnsinn was Karin alles in Ihrer Bordküche zaubert. Respekt!

  2. Da kann es ja nur besser werden. Für Ka gute Besserung.
    LG
    Jürgen

    zurück aus dem erstaunlich interessanten Polen, wo wir mehr als drei Wochen viele gute Erfahrungen machen konnten

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